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Meinung: Verhaftung Milosevics: Nach der Angst

Das Drama um die Verhaftung von Slobodan Milosevic hat schließlich doch ein positives Ende genommen. Der Autokrat ist sechs Monate nach seinem Sturz hinter Gitter - und wird auch nicht so bald wieder auf freiem Fuß sein.

Das Drama um die Verhaftung von Slobodan Milosevic hat schließlich doch ein positives Ende genommen. Der Autokrat ist sechs Monate nach seinem Sturz hinter Gitter - und wird auch nicht so bald wieder auf freiem Fuß sein. Das Land kommt einen großen Schritt vorwärts. Die Bewältigung der Vergangenheit kann jetzt richtig beginnen.

Gewiss, die serbische Justiz will ihn vorerst nur wegen vergleichsweise geringer Vergehen belangen. Eine Auslieferung an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat die neue Führung in Belgrad bisher mehrheitlich abgelehnt. Milosevic soll als "gewöhnlichem Kriminellen" der Prozess gemacht werden. Für die Opfer der vier Balkankriege ist dies bestimmt eine abstoßende Vorstellung.

Tatsache ist allerdings, dass mit dieser Festnahme eine ganze Lawine losgetreten werden wird. Helfer und Mittäter werden zu reden beginnen. Der Druck ist jetzt weg, die Gefahr eines Comebacks des Autokraten vollständig gebannt. In den Medien und in der serbischen Öffentlichkeit dürfte eine breite Diskussion über die Milosevic-Ära einsetzen. Überdies lassen sich die verschiedenen Gründe für Prozesse gegen den Autokraten von gestern kaum getrennt betrachtet. Milosevic hat seine Landsleute ausgeraubt, um die verheerenden Kriege zu finanzieren, für die er in Den Haag zur Verantwortung gezogen werden soll. Der Dieb Milosevic lässt sich vom mutmaßlichen Kriegsverbrecher Milosevic nicht trennen.

Auch die Ermittler von Den Haag haben Informationen über die finanziellen Machenschaften des Belgrader Regimes zusammengetragen. Den Haag und Belgrad können da wertvolle Ergebnisse austauschen. Die Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal ist schon heute kein Tabu mehr. Kurzum: Es ist gut, dass dem gestürzten Herrscher der Prozess gemacht werden kann.

Die serbische Führung musste um jeden Preis vermeiden, dass Milosevic bei der Festnahme ums Leben kommt. Ein toter Milosevic wäre als Märtyrer in die serbische Mythologie eingegangen und hätte als scheinbar unbesiegbarer Geist Serbiens Entwicklung weiterhin bremsen können. Doch der Untersuchungshäftling Milosevic wird im Verfahren auch für die letzten Getreuen seine Anziehungskraft verlieren.

Es ist positiv, dass der Prozess jetzt zuerst einmal in Belgrad beginnen wird. In Den Haag wäre der Fall Milosevic möglicherweise bald in Vergessenheit geraten, und das Land hätte ungestört zum Alltag zurückkehren können. Serbiens Öffentlichkeit wird sich so nun weiterhin mit dem prominenten Untersuchungshäftling auseinander setzen müssen. Jeder wird sich dabei auch die Frage der Mitverantwortung stellen können, denn schließlich war der zuletzt verhasste Autokraten noch vor nicht langer Zeit plebiszitär gewählt und bestätigt worden.

Es spricht nichts dagegen, dass Milosevic in einem zweiten Teil des Verfahrens nach Den Haag ausgeliefert oder in Belgrad nach den Regeln des UN-Tribunals als mutmaßlicher Kriegsverbrecher beurteilt wird. Die neue demokratische Führung in Belgrad hat am Ende trotz aller Misstöne während der fast 40-stündigen Belagerung der Milosevic-Residenz keine schlechte Figur gemacht. Nach dem überraschend unblutigen und friedlichen Sturz im Oktober folgte nun die unblutige Festnahme des Autokraten. Serbiens junge Demokratie und Rechtsstaat werden aus dieser Episode gestärkt hervorgehen.

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