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Kam einst als Retter - Nicolas Berggruen

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Verkauft Nicolas Berggruen die Kaufhauskette?: Macht Karstadt dicht, leidet die ganze Stadt

Karstadt in Not. Nicolas Berggruen, der einst als Retter kam, will nun offenbar verkaufen. Geht es den Investoren nur um die Grundstücke in zentraler Lage? Sind ihnen die Kaufhäuser darauf genauso egal wie das Schicksal der rund 2500 Beschäftigten in Berlin? Das wäre töricht und kurzsichtig.

Der Vorname Eva-Lotta klang nach Astrid Lindgren und danach, dass es wie bei Pippi Langstrumpf gut ausgehen würde. Aber als die neue Karstadt-Geschäftsführerin jetzt nach kaum fünf Monaten den Job hinschmiss und ungewohnt deutlich sagte, weshalb, wurde klar, dass dies weder ein Märchen war, noch ein guter Ausgang garantiert werden könnte. Eva-Lotta Sjöstedt ging Knall auf Fall, weil ihr die zugesagte Unterstützung der Berggruen-Holding des Karstadt-Eigentümers Nicolas Berggruen fehlte.

Nicht erst seitdem fragen sich Handelsexperten, mit welcher Ernsthaftigkeit der einst als Retter gefeierte Berggruen hinter einem Sanierungskonzept steht – falls es Ernsthaftigkeit und Sanierungskonzept jemals gegeben hat. Die Nachricht, dass er die Warenhauskette nun komplett an René Benko verkaufen will, deutet eher darauf hin, dass er aussteigen will, bevor er investieren muss. Überhaupt keine Fragen aber scheint sich die Berliner Politik zu stellen – als würde eine Karstadt-Pleite die Stadt nichts angehen.

Das Gegenteil ist der Fall. Käme es zu einem Zusammenbruch der Kaufhauskette und der Schließung von Filialen, würde die Grundstruktur des Handels in vielen Bezirken schwer gestört. Noch vor 50 Jahren versuchten mittelständische Einzelhändler gerne, die Ansiedlung von Warenhäusern zu verhindern, weil sie in ihnen eine Gefahr für die eigene Hochpreispolitik sahen. Das hat sich schon lange geändert. Kaufhäuser sind zum Anker des lokalen Handels geworden, um sie herum siedeln sich Fachgeschäfte an, die einen gehobeneren Bedarf als das Warenhaus decken oder durch Spezialisierung Lücken füllen, die für eine Kaufhauskette zu klein sind.

Heute jubeln Immobilienspezialisten, die Mieten an der Tauentzien seien inzwischen so hoch wie in München, was lange als deutsches Symbol für hochwertigen Konsumrausch galt. Faktum ist: Würde es zwischen Wittenbergplatz und Gedächtniskirche nicht einen internationalen Anziehungspunkt wie das KaDeWe und einen breit aufgestellten Textilspezialisten wie Peek und Cloppenburg geben, brächen die meisten Geschäfte auf dem knappen Kilometer relativ bald zusammen.

Karstadt am Hermannplatz oder in der Müllerstraße in Wedding, das große Haus am Kurfürstendamm oder die Geschäfte des Konzerns in der Schloßstraße, am Tempelhofer Damm oder in der Wilmersdorfer Straße prägen immer noch die Umgebung. Natürlich leiden alle Betriebe der Branche unter fehlenden Konzepten gegen den Online-Handel und die Outletcenter auf der grünen Wiese. Aber genau so etwas sollte und wollte Eva-Lotta Sjöstedt ja für Nicolas Berggruen entwickeln.

Geht es Investoren wie ihm und seinem Geschäftspartner René Benko nur um die Grundstücke in zentraler Lage, die sogenannten Filetstücke des Immobilienmarktes? Sind ihnen die Kaufhäuser darauf genauso egal wie das Schicksal der rund 2500 Beschäftigten in Berlin? Das wäre töricht und kurzsichtig, denn dieses Filet ist nur etwas wert, solange das Rind noch lebt. Ohne florierendes Kaufhaus, ohne lebendiges Treiben rundherum, ohne Menschenmassen, die zum Einkaufen und zum Flanieren kommen, ist das vermeintliche Filet nach Schließung des Kaufhauses nichts als ein relativ wertloses, von einem nicht nutzbaren großen Gebäude blockiertes Grundstück.

Wie es auf Grundstücken in zentraler Lage ohne Geschäfte rundherum aussieht, kann man in Detroit besichtigen. Was es für einen Kiez bedeutet, wenn ein zentrales Kaufhaus als Anker für den Einzelhandel schließt, kann man sich seit dem Sommer 2009 ganz in der Nähe, in Tegel, anschauen. Damals schloss dort Hertie an der Berliner Straße. Im Dezember 2013 lehnte es Karstadt ab, hier eine Filiale zu eröffnen. Für Ladenbetreiber und Kunden war das eine sehr schlechte Entscheidung.

Kümmert sich die Berliner Politik also nun angemessen darum, was mit den zehn Karstadt-Filialen und den zwei Karstadt-Sporthäusern geschieht? Steht eine Senatorin oder der Regierende Bürgermeister bei Berggruen auf der Matte und verlangt zu wissen, wie es weitergeht? Eigentum verpflichtet, steht im Grundgesetz, und damit ist nicht nur gemeint: verpflichtet zu Rendite. Die Stadt Berlin, das Land, sie müssen signalisieren, dass sie den Betreibern an Hilfe und Planungssicherheit geben, was im Rahmen des geltenden Rechtes möglich ist. Und Senat und Regierungschef müssen deutlich machen, dass eine funktionierende Warenhausstruktur für eine Millionenstadt von grundlegender Bedeutung ist.

Wenn erst die Sozialstrukturen in einem Bezirk ohne Geschäfte und ohne Arbeitsplätze zusammengebrochen sind, werden die gesamtgesellschaftlichen Reparaturkosten um ein Vielfaches höher als alle Unterstützung heute sein.

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