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Meinung: Vernünftig und verzweifelt Die Nahostdebatte war eher

Von Bernd Ulrich Während der Bundestagsdebatte über den Nahostkonflikt wurden 3000 Kilometer südlich von Berlin wieder Menschen erschossen. Es fällt darum nicht leicht, in diesen Tagen vernünftig und ruhig über den Nahen Osten zu diskutieren.

Von Bernd Ulrich

Während der Bundestagsdebatte über den Nahostkonflikt wurden 3000 Kilometer südlich von Berlin wieder Menschen erschossen. Es fällt darum nicht leicht, in diesen Tagen vernünftig und ruhig über den Nahen Osten zu diskutieren. Es ist auch nur schwer durchzuhalten, keine Partei zu nehmen. Auch bedarf es einiger Disziplin, anti-israelischen Gefühlen zu widerstehen, obwohl die meisten Fernsehbilder doch sagen: Scharon ist der Stärkere. Und obwohl die Vernunft sagt, dass seine Politik falsch ist; dass sie sich auch nicht mehr nur gegen den Terror richtet, sondern gegen die kümmerlichen Anfänge des palästinensischen Staates. Man muss sich zur Ordnung rufen, muss sich daran erinnern, dass wir auch nicht wüssten, was gegen diese Art Terror zu tun ist. Und daran, dass der Fluch, der über dem Nahen Osten liegt, der Fluch einer bösen Tat ist, der bösesten Tat des letzten Jahrhunderts, verübt von Deutschen.

Im Bundestag haben die Hauptredner diese Disziplin gewahrt. Alle, Schröder, Stoiber, Fischer, auch Wolfgang Gerhardt, in dessen Partei israelfeindliche Tendenzen geduldet werden, haben das Existenzrecht Israels betont und sich zum besonderen, unverbrüchlichen Verhältnis Deutschlands zum Staat der Juden bekannt. Eine Selbstverständlichkeit ist das nicht mehr, umso wichtiger, dass es so war. Im Hohen Haus gab es keine Niedrigkeiten gegen Israel.

Verzweiflung allerdings gab es. Mehr oder weniger haben sich alle hinter Fischers Ideenplan für einen Frieden in Nahost gestellt, wenn auch mit wenig Zutrauen, dass er in absehbarer Zeit zu verwirklichen ist. Wo über Auswege geredet wurde, sah man nur Hilflosigkeit auf hohem Niveau.

Der Ernst der Lage und die Hilflosigkeit der Politik haben eine aggressive Debatte von vornherein unmöglich gemacht. Insofern war es klug von Edmund Stoiber, für seinen ersten parlamentarischen Wahlkampfauftritt gegen den Kanzler ein Thema zu wählen, das sich für den Wahlkampf überhaupt nicht eignet. So musste er nicht polarisieren – und so konnte er nicht unterliegen. Stoiber hat nur gezeigt, dass auch er den richtigen Text sprechen kann, den Staatsmann zu geben vermag. Ein bisschen oberseminarhaft, dafür ohne die Schnoddrigkeit, die Schröder auch als Kanzler zuweilen an den Tag legt.

Auf diese Schwäche zielte dann auch der einzige Angriff von Stoiber: Mit Zustimmung der Union werde es keine deutschen Soldaten in Israel geben. Das richtete sich gegen Schröders unbedachten Satz, er könne einen solchen Einsatz nicht ausschließen. Stoibers Versuch, daraus eine grundsätzliche Differenz zwischen Union und SPD zu konstruieren, wirkte dennoch übertrieben. Noch will Israel überhaupt keine fremden Soldaten. Und wenn doch, wird man in einem Land, in dem nicht mal Wagner als Zugabe gespielt werden kann, ohne dass sich viele zutiefst beleidigt fühlen, nicht als erstes nach deutschen Uniformen rufen. Das ist keine Grundsatzfrage, sondern eine Debatte im doppelten Konjunktiv, also: überflüssig.

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