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Meinung: Verschandelte Stadt

„Dunkles Vermächtnis“ vom 12. November und „Hauptbahnhof bleibt bis 2015 Dauerbaustelle“ von S.

„Dunkles Vermächtnis“ vom 12. November und „Hauptbahnhof bleibt bis 2015 Dauerbaustelle“ von S. Jacobs vom 9. November

Ihre Artikel befassen sich unter anderem kritisch mit der architektonischen Qualität von Neubauten in dieser Stadt. Wir sind selber entsetzt über die Gestaltung des Meininger-Hotels am Hauptbahnhof und des Spreedreieck-Gebäudes. Ein Besucher von auswärts fragte erschüttert, der Hauptbahnhof sei doch ein so herausragendes, deutschlandweit bekanntes Gebäude – wie könne man daneben einen derart banalen Hotelkasten genehmigen?

Ja, welchen Einfluss nehmen denn Bausenatorin und Senatsbaudirektorin auf die bauliche Qualität der Stadt? Wir erleben insbesondere Frau Lüscher stets als nur moderierend, aber ohne Vision für die Entwicklung der Stadt und gänzlich ohne Durchsetzungsvermögen für Qualitätsstandards – sofern sie welche hat. Es ist eine Bankrotterklärung, wenn sie fatalistisch meint, Billighotels lohnten sich eben nur mit billigen Fassaden. Zum einen muss gute Architektur nicht unbedingt teuer sein. Zum zweiten darf eine verantwortungsvolle Stadtentwicklungspolitik nicht einfach vor einem Investor einknicken, wie es ja unter Junge-Reyers Ressortleitung offenbar auch mit dem Spreedreieck-Gebäude geschah.

Ist denn vergessen, welche um Qualität ringende Diskussionen es um eine hochwertige Architektur für den Hauptbahnhof und andere historisch aufgeladene Orte in der Hauptstadt gegeben hat? Für das Spreedreieck-Gelände gab es einen zukunftsweisenden Entwurf von Mies van der Rohe für ein transparentes Glashochhaus … Wäre das allein nicht Verpflichtung genug gewesen? Das Bauressort hätte den Investor ausbremsen müssen, als die dunkle Metallfassade mit ihren auskragenden senkrechten Lamellen, die die Fenster in der Seitenansicht verbergen, begonnen wurde. Es dürfte einem Investor nicht gestattet sein, nach eigenem Ermessen von vorgelegten Plänen abzuweichen.

Ich lebe gerne in Berlin und mag diese Stadt. Es gibt viele Beispiele, wie Bewohner und Gewerbetreibende sich die Stadt im besten Sinne aneignen und sie auch für Besucher einladend machen. Es gibt aber auch viel Gleichgültigkeit, Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit bei der Planung und Pflege der Stadt. Auch die Bauverwaltung muss mehr Verantwortung für eine hochwertige Stadtentwicklung übernehmen, damit die Aufforderung „be Berlin!“ keine Floskel bleibt.

Carsten Meyer, Berlin-Prenzlauer Berg

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