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Termine im Bürgeramt? Das dauert.

© Kai-Uwe Heinrich

Verwaltung in Berlin: An der Grenze zur Verfassungswidrigkeit

Wer umzieht, muss seine neue Adresse binnen 14 Tagen melden. Der nächste Termin im Bürgeramt in Berlin ist am 19. November zu haben. Bürger können derzeit nicht legal handeln. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fatina Keilani

Die Aufgabe der Verwaltung ist es, für die Bürger da zu sein. Ja, ganz richtig. Das ist im Wesentlichen ihr ganzer Daseinszweck. Man könnte es geschwollener formulieren, doch im Kern bleibt das Ergebnis gleich.

Die Verwaltung organisiert das Gemeinwesen und die Angelegenheiten von dessen Mitgliedern. Sie muss dies effektiv, bürgernah und zügig tun; es gibt dafür sogar ein europäisches Grundrecht, nämlich das „Recht auf eine gute Verwaltung“, festgelegt in Artikel 41 der Europäischen Grundrechtecharta. Auf personelle Überlastung kann sie sich nicht, jedenfalls nicht auf Dauer berufen.

Die Realität, ganz besonders die in Berlin, steht dazu in einem Gegensatz, der ans Verfassungswidrige grenzt. Aktuell scheint ein negativer Spitzenwert erreicht: Es ist Bürgern derzeit nicht einmal mehr möglich, legal zu handeln. Beispiel Umzug. Wer umzieht und sich unter seiner neuen Adresse anmelden will, muss dies laut Meldegesetz innerhalb von 14 Tagen tun. Der nächste Termin im Bürgeramt ist aber berlinweit (Stand Samstag) erst am 17. November zu haben, also in achteinhalb Wochen. Für eine Kfz-Zulassung sind es knapp zwei Wochen.

Wenn jetzt eingewendet wird, dies liege am Wachstum der Stadt und am massiven Zustrom von Flüchtlingen, dann ist das nicht einmal die halbe Wahrheit. Nein, es liegt an der Selbstlähmung der Verwaltung durch ihre Ineffizienz, ihren mangelnden Dienstleistungswillen und ihre Entscheidungsschwäche.

Behandelt werden Bürger nicht wie die Herren sondern wie die Diener der Verwaltung

Wenn der Kunde eines Jobcenters den Bezirk wechselt, muss er alle Anträge neu ausfüllen – welch ein Wahnsinn! Warum gibt es keine elektronische Akte? Wenn ein Asylbewerber den Anerkennungsbescheid hat, steht ihm eine zermürbende Odyssee bevor, in der es ihm nicht möglich ist, sich legal zu verhalten (wir berichteten).

Hinter vorgehaltener Hand bestätigen leitende Verwaltungsmitarbeiter, dass es nicht an Personal mangele, sondern an der richtigen Einstellung der Mitarbeiter, an Bürgernähe und Leistungswillen. Erreichbarkeit, Kompetenz, Rückrufe: All das müsste eigentlich selbstverständlich sein, sollte man meinen.

Oberstes Organ der Verwaltung ist der Senat, und hier versagt ein jeder Senator auf seine Weise. Das schadet der Stadt. Es schadet der Wirtschaft, und es macht die Bürger zu Recht wütend. Denn sie sind es, die mit ihren Steuern die vielen missmutigen Mitarbeiter der Behörden bezahlen. Behandelt werden Bürger dort aber nicht wie die Herren, die sie sind, sondern wie die Diener der Verwaltung. Das ist eine groteske Verkehrung der Verhältnisse, vielleicht der letzte Rest des Feudalstaats.

In der Demokratie macht das Volk seine Gesetze selbst, und die Verwaltung ist dazu da, sie auszuführen. Sie ist der Diener des Bürgers, nicht umgekehrt.

Lange Warteschlange vor dem Bürgeramt in der Sonnenallee in Berlin-Neukölln - kein ungewohntes Bild.
Lange Warteschlange vor dem Bürgeramt in der Sonnenallee in Berlin-Neukölln - kein ungewohntes Bild.

© dpa/picture alliance

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