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Meinung: Viel Arbeit für mehr Arbeit

Von Alfons Frese

Arbeitszwang, Lohndruck, Arbeitslosenarmut – die Vorbehalte und Polemiken gegen Hartz IV wurden am Montag von einigen hundert Protestlern vor einigen Arbeitsagenturen artikuliert. Das ist völlig in Ordnung, der Zorn oft berechtigt. Doch das Thema ist erst mal durch: Lange haben wir diskutiert, dann hat die Politik entschieden und sozusagen die theoretische Phase abgeschlossen. Jetzt läuft der Praxistest, und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hat Recht, wenn er Geduld fordert. Ob Hartz IV fair ist, ob es den Arbeitslosen nutzt und den Arbeitsmarkt in Schwung bringt, wissen wir erst in vielen Monaten, womöglich Jahren. Aber nach dem ziemlich reibungslosen Start, abgesehen von einer Computerpanne, die die Auszahlung in einzelnen Fällen verzögerte, läuft die große Sozialreform doch mit viel Ballast in die Zukunft. Das betrifft weniger die vermeintliche Verfassungswidrigkeit; dass das Grundgesetz die Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Sozialämtern nicht vorsieht, wird die Reform kaum kippen. Bislang gibt es 75000 Widersprüche; das sind bei 2,7 Millionen Bescheiden über das neue Arbeitslosengeld II nicht sonderlich viel. Doch die Widerspruchsfrist endet erst in vier Wochen, vermutlich kommt auf die Arbeitsagenturen also noch einiges zu.

Das gilt noch viel mehr, wenn erste Schätzungen von Gewerkschaften realistisch sind und fast jeder zweite Bescheid nicht stimmt. In dem Fall würde der Korrekturaufwand die Arbeitsagenturen lähmen. Ausgerechnet. Clement hat auf das Grundprinzip der Reform hingewiesen: Fördern und Fordern. Grob gesagt geht es den Arbeitslosen schlechter als bislang. Auf der anderen Seite soll den Hilfsbedürftigen endlich geholfen werden: weniger verwalten, mehr vermitteln. Dieses Versprechen müssen die Agenturen einlösen, nachdem sie in den vergangenen Monaten wegen Hartz kaum Zeit zur Vermittlung hatten. Aber wohin vermitteln? Arbeitsmarktforscher befürchten, dass die durchschnittliche Arbeitslosenzahl 2005 im Vergleich zu 2004 nahezu konstant bleibt. Traurige Perspektiven. Auch deshalb konzentrieren sich die Bemühungen auf die jungen Arbeitslosen, die alle ein Angebot bekommen sollen, „um der Arbeitslosigkeit den Nachwuchs zu entziehen“, wie Clement sagt. Doch die große Mehrheit der Arbeitsuchenden kann sich nur an einem anderen ClementRat orientieren: Geduld.

Seiten 1 und 15

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