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Meinung: „Viele wollen Kinder“

Renate Schmidt ist am kritischen Punkt angekommen, dort, wo es um harte Machtpolitik geht. Für genauso wichtig wie die Arbeitsmarktreform hält die Familienministerin ihr am Mittwoch verabschiedetes Gesetz zum Ausbau der Kinderbetreuung.

Von Hans Monath

Renate Schmidt ist am kritischen Punkt angekommen, dort, wo es um harte Machtpolitik geht. Für genauso wichtig wie die Arbeitsmarktreform hält die Familienministerin ihr am Mittwoch verabschiedetes Gesetz zum Ausbau der Kinderbetreuung. Nur: Je näher der Termin rückte, desto heftiger wurde der Widerstand. Irgendwie für Kinder sind heute alle. Doch die unionsregierten Länder schimpfen über das Gesetz, die Kommunen schimpfen auch. Aber ohne deren Mithilfe kann keine Bundesregierung Eltern entlasten.

Von der Durchsetzungskraft der 60-jährigen Sozialdemokratin hängt nun viel ab. Deutschland könnte in wenigen Jahren den Status eines Entwicklungslandes beim Betreuungsangebot hinter sich lassen und innerhalb Europas aufholen. Und auch ein politisches Modell steht auf dem Prüfstand. Denn die älteste Ministerin im Bundeskabinett praktiziert ein in Deutschland noch junges Politikverständnis, das genau genommen einen Gegenentwurf zur Agendapolitik der eigenen Regierung bedeutet: Vom Reformpaket wurde die SPD so kalt erwischt wie die meisten Deutschen. Jede Vorbereitung fehlte. Als die Zumutungen auf die ahnungslosen Menschen zukamen, hatte denen niemand erzählt, was sie damit gewinnen könnten.

Dagegen hat Renate Schmidt schon lange vor ihrer Berufung zur Ministerin im Herbst 2002 den Aufbruch in der Familienpolitik zu organisieren begonnen. Geprägt durch ihre Erfahrung als allein erziehende und berufstätige Mutter dreier Kinder schliff die frühere SPD-Landesvorsitzende in Bayern der eigenen Partei die altfeministischen Kanten ab und machte der SPD eine moderne Familienpolitik schmackhaft. Dann schmiedete das „Familientier“ (Schmidt über Schmidt) ein großes gesellschaftliches Bündnis für Kinder, das heute von der katholischen Kirche über die Wirtschaft bis hin zu den Gewerkschaften reicht. Dahinter steht ihre Überzeugung, dass freiwilliges Handeln mehr bewegt als jeder staatliche Eingriff.

Jetzt, wo die machtpolitischen Widerstände gegen ihr Gesetz wachsen, ist der Erfolg der Politikerin von der Einmischung ihrer Bündnispartner und der Bürger abhängig: Werden sich die Bremser durchsetzen können, wenn jeder Bürgermeister gefragt wird, ob er das Geld des Bundes für Krippenplätze ausgibt oder für neue Straßen? Der Streit um das Betreuungsgesetz ist ebenso eine Bewährungsprobe für die Familienministerin wie für eine Gesellschaft, die angeblich mehr Kinder will. Jetzt kann sie beweisen, wie ernst es ihr mit diesem Wunsch ist.

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