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Meinung: Villepin weilt auf Elba

Endzeitstimmung in Paris: Der französische Premier ist politisch isoliert

Als Präsident Jacques Chirac nach dem verlorenen EU-Referendum im Mai 2005 den glücklosen Jean-Pierre Raffarin entließ und Dominique de Villepin zum Regierungschef berief, ging ein Aufatmen durchs Land. Aber es gab auch viele skeptische Stimmen. Der Premierminister galt als arrogant und herrisch, vor allem aber mangelte es ihm an politischer Erfahrung. Als Generalsekretär des Elysée-Palasts war er während zehn Jahren Chiracs engster Ratgeber, aber einem Votum der Wähler, der Feuertaufe in jeder Demokratie, hatte sich der machtbewusste Grandseigneur nie stellen müssen.

Ein Jahr danach sehen sich die Skeptiker bestätigt. Zwar hatte Villepin in den ersten Monaten die Allüre des hochnäsigen Technokraten abgelegt. Mit seiner Dynamik hob er sich von dem schwachen Raffarin ab. Doch nun kommt wieder seine wahre Natur zum Vorschein, sein autoritäres Gehabe, seine Verachtung gegenüber den Parlamentariern, die er früher als „Dummköpfe“ abtat oder wie jetzt den Chef der oppositionellen Sozialisten, François Hollande, der „Feigheit“ bezichtigte.

Villepin ist überfordert. Für die Ausübung der Macht, die den Napoleon-Verehrer so fasziniert, fehlt ihm die Sensibilität. Politik folgt eben nicht dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Er hat kein Gespür für Stimmungen, die Fähigkeit, sich auf die Wünsche der Parlamentarier einzustellen, geht ihm ab. So unbeliebt wie er war keiner seiner Vorgänger. Ratschläge nimmt er nicht an. Trotz Warnungen leitete er in der Clearstream-Affäre gegen vier Journalisten Verleumdungsklagen ein. Zu einem solchen Schritt hat sich in der V. Republik noch nie ein Regierungschef entschlossen. Nun riskiert Villepin, wie sein Arbeitsminister Jean-Louis Borloo sagte, dass er in dem Prozess noch mehr Schaden nimmt. Dass Mitglieder seiner Regierung sich öffentlich von ihm distanzieren, stört ihn nicht. Und wenn die Parlamentsfraktion der Regierungspartei UMP gegen ihn meutert und der Ruf nach seinem Rücktritt immer lauter wird, wehrt er sich mit dem Hinweis, dies habe mit der politischen Realität nichts zu tun.

Autorität genießt dieser von politischen Krisen, Affären und Ansehensverlust gezeichnete Regierungschef nicht mehr. Seine einzige Legitimität ist das Vertrauen des Präsidenten. Dessen verlängerter Arm ist Villepin. An ihn hat sich Chirac gebunden, ihn lässt er nicht fallen, weil er keinen anderen sieht, der sich noch vor der Wahl 2007 dem ihm verhassten Innenminister und UMP-Vorsitzenden Nicolas Sarkozy in den Weg stellen könnte. Ein aberwitziges Kalkül.

Von Frankreich haben die europäischen Partner unter dieser Voraussetzung nicht viel zu erwarten, außer weiteren Krisen, in die sie wie jetzt beim neuen Kampf um den Einfluss beim Luft- und Raumfahrtkonzern EADS mit hineingezogen werden. Sollte das andauern, könnte es 2007 ein böses Erwachen geben, wie der UMP-Fraktionschef Bernard Accoyer bereits warnte. Wenn die Rechte so weitermache, meinte er, werde sie nicht einmal die erste Wahlrunde überstehen.

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