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Vizekanzlers Reisen: Guido Westerwelle: Im Schutze des Tabus

Der deutsche Vizekanzler ist homosexuell, und schwulenfeindliche Ressentiments haben sich mit den Bürgermeistern Wowereit und von Beust nicht erledigt. Der Weg zur allgemeinen Akzeptanz in öffentlichen Spitzenpositionen ist steinig für Angehörige von Gruppen, die jahrhundertelang davon ausgeschlossen waren.

Ein simples Beispiel: Es gab viele Politikerinnen vor Angela Merkel, doch eine Kanzlerkandidatin war selbst für ihre eigene Partei keineswegs selbstverständlich. Dass den offiziellen Job der „Gattin“ nun ihr Ehemann ausübt, fällt noch immer aus dem Rahmen; auch deshalb tritt „Herr Sauer“ nur ungern als Merkels Reisebegleiter auf.

Sehr häufig dabei ist dagegen „Herr Mronz“, wie der Außenminister zu sagen pflegt, wenn, wie wiederum Mronz zu sagen pflegt, „Herr Westerwelle“ sich auf Dienstreisen begibt. Die Distanz, die beide sprachlich zwischen sich legen, spielt auf das private Verhältnis in einer Weise an, die es in einen Schutzraum stellt. Denn sie reklamiert deren Außergewöhnlichkeit. Die Öffentlichkeit weiß, das Mronz und Westerwelle ein Paar sind. Darf diese Öffentlichkeit, was – wie besonders ihr aufgeklärter Teil weiß – fast ein Ding menschlicher Unmöglichkeit ist? Nämlich: an eine latent und tatsächlich diskriminierte Partnerschaft den gleichen Maßstab anlegen wie an das ganz gewöhnliche Ehepaar.

Die Antwort ist eindeutig. Sie muss es natürlich, wenn es um öffentliche Verantwortung geht. Denn die verlangt eine strikte Trennlinie zu privaten Interessen, von Mann wie Frau, ob schwul oder hetero. Westerwelle aber wehrt die Vorwürfe einer Interessenvermischung ab. Er verweigert konkrete Auskunft auf konkrete Vorhaltungen und verschanzt sich hinter früheren Außenministern, die auch die Möglichkeiten „mehr oder weniger genutzt“ hätten, ihre Partnerinnen mitzunehmen. Also geht es um eine Partnerbegleitung des Mitreisenden Mronz, der aber – warum dann eigentlich? – auf eigene Kosten fährt.

Diese Information wurde einer mehrtägigen Diskussion ebenso nachgeschoben wie die Erläuterung von eigenen Geschäftsinteressen, die Mronz auf diesen Reisen vorgehalten worden ist. Westerwelles Begleiter ist für den guten Zweck unterwegs, allerdings nicht im Namen und Auftrag der Bundesrepublik Deutschland. Das Vorstandsmitglied von „Ein Herz für Kinder“ will sich auf diesen Reisen für die Belange von Kindern engagieren. Das wiederum erfahren wir ausgerechnet über ein „Bild“-Interview, womit die „Ein Herz für Kinder“-Zeitung wie ihr Vorstand nebenbei eine günstige Gelegenheit für Gutmenschentum zum Zwecke der jeweiligen Eigen-PR gemeinsam genutzt haben.

Der FDP-Chef Guido Westerwelle hat schon manchen Aufruhr nach dem Motto „Frechheit siegt“ entfacht. Wie man als mutiger Kämpfer auftreten kann, indem man Schweigemauern behauptet, wo gar keine sind, hat er jüngst mit seinem Hartz-IV-Furor bewiesen. Als Vizekanzler wehrt ausgerechnet der große Tabubrecher den Vorwurf der Interessenvermengung nun mit einem Doppel-PC ab. Ein schwules Paar plus soziales Engagement für Kinder – ist das nicht eine fast unwiderstehliche appellative Botschaft an die politische Correctness der öffentlichen Meinung? Nein, das ist es nicht. Es ist ein alter Herrschaftstrick von vormals Ausgeschlossenen, sanft an die alten Diskriminierungen zu erinnern, wenn es in den neuen Machtpositionen ungemütlich wird. Westerwelle ist Vizekanzler. Und der muss sich erklären.

Tissy Bruns

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