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Meinung: Volks(ab)stimmung

„Griechenland schockt Europa“ vom 3. November Politiker machen doch nur, was sie wollen, man sollte viel lieber die Bürger entscheiden lassen: Dieser Ruf erklingt regelmäßig an deutschen Stammtischen.

„Griechenland schockt Europa“

vom 3. November

Politiker machen doch nur, was sie wollen, man sollte viel lieber die Bürger entscheiden lassen: Dieser Ruf erklingt regelmäßig an deutschen Stammtischen. Doch genau das will Griechenland jetzt machen. Aber wenn jemand etwas vorhat, was möglicherweise eine Entscheidung bringt, die nicht in unserem Sinne ist, versetzt uns das sofort in Angst und Schrecken. Denn das menschliche Gedächtnis hat einen Hang zur Vergesslichkeit – besonders an Stammtischen.

Alf Rolla, Köln

Die von Papandreou geplante Volksabstimmung ist zwar eine Überraschung, insbesondere für die Finanzwelt, ist aber eigentlich ein genialer Schachzug, um die Krise zu meistern. Außenstehende sind schnell der Meinung, dass, wenn man der gemeinen Bevölkerung so ein Referendum vorlegt, sie wahrscheinlich irrational, kurzfristig-emotional und daher falsch abstimmen wird. Den Griechen wird aber wohl bewusst sein oder werden, dass ohne deren Zustimmung die griechische Regierung in Finanznot geriete und Pensionszahlungen und andere Transferleistungen ausblieben. Sie sind mit diesem Geld in der Vergangenheit verwöhnt worden – was leider zu den Problemen beigetragen hat – und das wollen sie bestimmt nicht missen, auch wenn es etwas gekürzt werden müsste. Griechen wissen, was ein Damokles-Schwert ist. Außerdem verteilt Papandreou mit der Volksabstimmung die Verantwortung. Wenn eine Regierung eine unpopuläre Reform durchziehen muss, kann ein Volk immer einfach danebenstehen und darüber schimpfen. Muss das Volk darüber aber mitbestimmen, werden sie auch mit in die Pflicht genommen es anzunehmen. Man hat zwar imposante Protestdemonstrationen gesehen, aber spiegelt das die Meinung der gesamten griechischen Bevölkerung? Nach einem positiven Plebiszit wäre der Protestbewegung damit der Wind aus den Segeln genommen (rudern tun sie trotzdem). Um das Sprichwort etwas umzumünzen: mit Papandreou sitzt eine Eule schon in Athen.

Alan Benson, Berlin-Wannsee

Die vom griechischen Ministerpräsidenten Papandreou jetzt ins Spiel gebrachte Volksabstimmung ist nicht, wie manche glauben, eine plötzliche demokratische Anwandlung, sondern ein neuer Winkelzug der von ihm vom Krisenanfang an verfolgten Hinhaltetaktik. Weitere Karten, die er in Verfolgung dieser Hinhaltetaktik noch aus dem Ärmel ziehen könnte, wären z. B. sein Rücktritt oder Neuwahlen. Ziel seiner Taktik ist es, die Europäer daran zu gewöhnen, dass sie Griechenland auf unabsehbare Zeit alimentieren, auch ohne dass ihre Forderungen und Bedingungen von Griechenland erfüllt werden. Gelingt dies nicht, so kann Papandreou mit dieser Taktik aber zumindest die Stunde der Wahrheit, d. h. die notwendige Wiedereinführung einer eigenen Währung, hinausschieben. „Merkozy“ wären gut beraten, diesem Schrecken ohne Ende endlich ein Ende zu bereiten, dessen Schrecken (der Austritt Griechenlands aus der Eurozone) wohl gar nicht so schrecklich wäre. Vor allem würden sie damit einen Präzedenzfall von heilsamer Ausstrahlung schaffen und zum ersten Mal wirklich etwas für die Rettung des Euro (statt der Banken und Griechenlands Eurozonenmitgliedschaft) tun.

Dierk Lübbers, Münster

Was macht Lieschen Müller, wenn sie nicht mehr weiter weiß? Sie schmeißt den Bettel hin und schlägt sich in die Büsche. So hat’s der amtierende griechische Präsident auch vor. Damit es nicht auffällt, will er es allerdings intelligenter machen als Lieschen und mit Grandezza. Familie Papandreou und deren Parteifreunde haben nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass Griechenland dahingekommen ist, wo es heute steht. Um aus dieser unerquicklichen Situation rauszukommen, führt der schlaue Fuchs Folgendes im Schilde.

Er will das Volk abstimmen lassen, ob sein Staat Pleite macht oder nicht. Damit verbindet er die Vertrauensfrage, ob er weiter als Präsident erwünscht ist. Sagt das Volk ja zur Pleite, gibt er das Amt an einen Nachfolger ab. Er selber verschwindet in den Büschen, der Neue gilt fortan als Präsident, unter dessen Regierung die Pleite kam. Sagt es nein, verhängt das Volk über sich unglaublich drastische Sparmaßnahmen. Die hat der Präsident zwar mitzuverantworten, kann aber seelenruhig weiter regieren, denn sein Volk hat es ja so gewollt.

Was lehrt uns das? Der Politiker Papandreou will nur seinen Arsch retten. Und manchen anderen gleich mit.

Werner Münchow, Berlin

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