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Volksbegehren gegen Tempelhof-Bebauung erfolgreich: Die Demokratie hat gesiegt

Das Volksbegehren gegen die Bebauung des einstigen Tempelhofer Flugfeldes war erfolgreich. Trotzdem fehlt den Initiatoren des Volksentscheids mit ihrer Vision eines naturbelassenen Rollfelds bisher der strategisch entscheidende Rückhalt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Auch auf dem Tempelhofer Feld, das manche Berliner auf keinen Fall aus dem Dornröschenschlaf wecken wollen. Nachdem der Flughafen geschlossen wurde, vor mehr als fünf Jahren, haben Radler und Skater, Familien und Naturfreunde das Gelände erobert. So groß wie das Fürstentum Monaco, aber schön flach und mit einem atemberaubenden Blick in die Stadt hinein. Bald soll ein Volksentscheid klären, ob dieser Blick verstellt werden darf – durch neue Wohnungen, Gewerbe und eine schicke Landesbibliothek.

Die Organisatoren des Volksentscheids sind Puristen. Ihr Gesetzentwurf, der im Frühjahr zur Abstimmung steht, verbietet jede Bebauung des 355 Hektar großen Areals. Von kleinen Bolzplätzen, Klohäuschen und ein paar Bänken und Tischen fürs Picknick mal abgesehen. Diesen stadtplanerischen Fundamentalismus muss man sich nicht zu eigen machen. Es gibt gute Gründe für eine vorsichtige Bebauung der Ränder, um relativ preiswerten Wohnraum zu schaffen und mittelständische Unternehmen anzusiedeln. Auch die supermoderne Bibliothek wird viele Freunde finden, wenn sie irgendwann in voller Schönheit am Tempelhofer Damm stehen sollte.

Eine Abstimmung ohne Zwischentöne

So oder so – es sind klare Positionen, die unversöhnlich gegeneinanderstehen. Gut für einen Volksentscheid, der auch bei komplizierten Fragen dazu zwingt, Ja oder Nein zu sagen. Ohne Zwischentöne. Auf diese einfache Weise werden die Bürger, soweit sie wahlberechtigt sind, mit ihrem Kreuz auf dem Abstimmungszettel wieder einmal zum plebiszitären Gesetzgeber des Landes Berlin. Auf Augenhöhe mit dem Parlament. Das verlangt denen, die mitmachen, eine große Verantwortung ab, schließlich geht es nicht um die Hofbegrünung in Kaulsdorf.

Das Tempelhofer Feld ist prägend für die Millionenstadt Berlin, klimatisch, städtebaulich und als gigantischer Freizeitpark. Ein großes Thema, dem die Beteiligung am Volksentscheid nicht nachstehen sollte. Es wäre fatal, wenn die landesweite Abstimmung zu einem lokalen Ereignis verkommt, dominiert von Aktivisten in Tempelhof, Kreuzberg und Neukölln mit einem kompromisslos formulierten Bedürfnis nach freiem Blick und Auslauf. Die regionale Verteilung der Unterschriften für den Volksentscheid, die nun ausgezählt sind, lässt genau dies befürchten.

Das Tempelhofer Feld geht uns alle an

Schon deshalb bietet sich der 25. Mai, Tag der Europawahl, als Abstimmungstermin an. Damit die Hellersdorfer und Spandauer nicht kneifen. Das Tempelhofer Feld geht uns alle an. Wie wird der Meinungskampf denn ausgehen? Noch sieht es so aus, als wenn sich der Senat mit seinen Planungen durchsetzen könnte. Großenteils jedenfalls, denn es schält sich gerade eine Koalition aus CDU, Grünen und Linken heraus, die beim Wohnungsbau an den Rändern des Feldes einige Abstriche machen will.

Trotzdem fehlt den Initiatoren des Volksentscheids mit ihrer Vision eines naturbelassenen Rollfelds bisher der strategisch entscheidende Rückhalt. Das kann sich aber ändern. Denn die Erfahrungen der vergangenen Jahre in Berlin zeigen, dass die direkte Demokratie ein Instrument ist, dass der öffentlichen Meinung eine politische Wucht verleiht, deren Wirkung jedes Mal schwer kalkulierbar ist. Gewonnen hat, wie die Abstimmung auch ausgehen mag, aber jetzt schon die Demokratie. Denn Volksentscheide sind ideale Katalysatoren für den Streit um Themen, die normalerweise nur einen Teil der Bevölkerung interessieren. Das ist ein Wert an sich.

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