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Meinung: Von 8 bis 13 Uhr 30

Zwei Berliner Schulen verlangen, dass Deutsch gesprochen wird – und es hagelt Proteste

Not macht erfinderisch: Zwei Berliner Schulen entscheiden, dass auf ihrem Schulgelände, auf Klassenfahrten und Wanderfahrten Deutsch gesprochen werden muss. Eltern, Lehrer und Schüler einigten sich darauf. Der Grund: Sie wollen, dass die Lehrstellensuche nicht an mangelnden Sprachkenntnissen scheitert. Sie wollen, dass ihre Schüler nicht im Berliner Heer der jugendlichen Arbeitslosen untergehen. Nicht mehr und nicht weniger.

Flankiert wird die Vorschrift, die in der Hausordnung steht, durch zusätzliche Deutschstunden und kleine Lerngruppen, in denen jeder Schüler öfter zu Wort kommt als im großen Klassenverband. Alles Streben dreht sich nur um ein Ziel: fehlerfreies Deutsch. Denn an beiden Schulen gibt es fast keine deutschen Muttersprachler mehr.

So weit, so gut. Bis die Sache vor einer Woche öffentlich wurde. Den Ton gab der bündnisgrüne Bildungspolitiker Özcan Mutlu vor, der von „Diskriminierung“ sprach. Übertroffen wurde er noch vom Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde Kenan Kolat, der das Wort „nationalistisch“ benutzte und mit Elternprotesten drohte. Heute wollen Vertreter mehrerer türkischer Vereine ihre Meinung zum „Sprachenverbot“ darlegen.

Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening versucht, die Schärfe dieser Reaktionen zu erklären. Zu viel prassele in kurzer Zeit auf die Migranten nieder: erst der Muslimfragebogen, dann die Debatte um den eingeschränkten Ehegattennachzug und jetzt auch noch das „Sprachverbot“.

Tatsächlich: Mit der Nonchalance auf Seiten der Politik ist es vorbei. Und zwar aus gutem Grund. Die Bilanz nach 40 Jahren türkischer Einwanderung ist bedrückend. Da immer noch ein großer Teil der Berliner Türken seine Ehepartner aus der Heimat holt, wird zu Hause ausschließlich Türkisch gesprochen. Normalerweise wäre das kein Problem, wenn die Kinder im Kindergarten Deutsch lernen könnten. Das aber klappt nur selten, denn in Kindergärten mit hoher Ausländerquote lernen die Kinder kein Deutsch. Das haben Einschulungsuntersuchungen gezeigt. Und die Schulen schaffen es nicht, dieses Defizit auszugleichen. Deshalb macht nur ein verschwindend kleiner Teil der türkischstämmigen Kinder Abitur. Die meisten tragen maximal den Hauptschulabschluss bei sich, wenn sie – mit schlechten Deutschkenntnissen – sich um eine Lehrstelle bewerben.

Es gibt Schulen, die sich damit nicht abfinden wollen. Dazu zählen die beiden Realschulen, die erreichen wollen, dass ihre Schüler wenigstens zwischen 8 und 13 Uhr 30 ausschließlich Deutsch sprechen. Und nun kommen – es ist absurd – türkische Verbände daher, die den Schulen verbieten wollen, derartige Verabredungen zu treffen. Dabei tragen die Verbände selbst eine Mitschuld daran, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Niemals haben sie davor gewarnt, dass der endlose Ehegattennachzug die Integration blockiert. Nie war ihnen dies eine einzige Erklärung Wert. Kaum aber ziehen zwei Schulen die Notbremse, melden sich die Verbände aggressiv zu Wort. Die Schulen sollten sich davon nicht beeindrucken lassen. Den Schülern zuliebe.

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