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Meinung: Von Angst infiziert

Von Bas Kast

Die Geschichte von H5N1, dem gefährlichen Vogelgrippevirus, liest sich wie die eines „natural born killer“. Es fing harmlos an. H5N1 fristete ein friedliches Dasein im Körper von Wasser und Zugvögeln, die es, ein blinder Passagier, am Leben ließ. 1997 schlug H5N1 erstmals richtig zu: Sechs Menschen starben in Hongkong nach Kontakt mit infiziertem Geflügel. Seitdem ist das Virus immer gefährlicher geworden. Millionen von Hühnern und Enten hat es dahingerafft. Es eroberte mehr Tiere, Schweine, Katzen, Tiger. Und immer mehr Länder, wie Indonesien, die Mongolei, Kasachstan, Russland – und jetzt auch Rumänien und die Türkei.

Eine Seuche ist im Anflug. Über 60 Menschen sind bereits gestorben – und wenn es zu einer weltweiten Epidemie, einer Pandemie, kommt, könnte es bis zu 150 Millionen Tote geben, warnte kürzlich ein UN-Experte. Womit müssen wir rechnen?

Mit dem Schlimmsten, einerseits. Das Virus H5N1 ist so verbreitet – der Sprung auf den Menschen scheint nur eine Frage der Zeit. Beunruhigender noch: Erst vor wenigen Tagen stellten Forscher fest, dass H5N1 erschreckende Ähnlichkeiten mit dem Virus der Spanischen Grippe hat, das 1918/19 zwischen 50 und 100 Millionen Menschen tötete – mehr als der gesamte Erste Weltkrieg. Hinzu kommt, dass Pandemien relativ regelmäßig auftreten, etwa alle 30 Jahre. 1957 forderte die asiatische Grippe über eine Million, 1968 die Hongkonggrippe fast eine Million Opfer. Bei einer erneuten Pandemie stünde die Wirtschaft vorm Zusammenbruch.

Die Bedrohung ist da – und doch gibt es keinen Anlass zur Panik. Erstens wissen wir heute viel mehr über den Übeltäter als noch 1918. Wie er sich verbreitet, wie er uns infiziert. Schnelles Handeln kann eine Pandemie vermutlich eindämmen. Einfuhrkontrollen von Tiertransporten und Reisenden sowie strenge Geflügelimportverbote sind sinnvoll. Jetzt.

Zweitens: Selbst im Falle eines Ausbruchs sind wir nicht vollkommen wehrlos. Es gibt wirksame antivirale Mittel, insbesondere das Tamiflu, das Deutschland in großem Maßstab eingekauft hat. An Impfstoff-Prototypen wird bereits gearbeitet. Kann sein, dass man im Ernstfall auch Massenveranstaltungen wird verbieten müssen. Noch ist es nicht so weit. Aber dass es so weit kommen kann, ist weit mehr als ein bloßes Angstszenario.

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