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Mutter der Kompanie? Ursula von der Leyen, die neue Verteidigungsministerin.

© dpa

Von der Leyens Bundeswehr: Überzeugen, nicht befehlen

Das war ja klar. Kaum steht zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums, geht es bei der Armee nur noch um eines – Familienfreundlichkeit.

Von Michael Schmidt

Weniger Versetzungen, mehr Teilzeitarbeit für Soldaten und bessere Kinderbetreuung in den Kasernen. Gedöns nannte das einmal ein Bundeskanzler. Als Gedöns empfinden das womöglich nach wie vor die echten Kerle von heute, Sandkastengeneräle und Waffennarren. Doch wer so denkt, hat's nicht begriffen: Von der Antwort auf die Frage nach der Vereinbarkeit von Dienst und Familie hängen nämlich, bei Lichte betrachtet, Schlagkraft und Einsatzfähigkeit der Bundeswehr, mithin die Sicherheit und Zukunft dieser Republik ab.
Wie das? Durch die Abschaffung der Wehrpflicht und den Wandel zur Freiwilligen- und Berufsarmee im potenziell weltweiten Kriegs- und Kriseneinsatz hat sich die Truppe auf eine derart fundamentale Art verändert, wie es ihr vielleicht selbst noch gar nicht bewusst ist. Mit weniger Geld und weniger Personal soll die Armee in einer zunehmend unübersichtlichen Welt besser und effizienter werden, flexibler sein, schneller und moderner. Dazu braucht es vor allem eines: die richtigen Leute. Gute Leute. Eigentlich: die besten Leute. Nur, um diese Besten werben auch andere. Und die haben bisher die stärkeren Argumente.

Das wusste auch Ursula von der Leyens Vorgänger, Thomas de Maizière. Der hatte kein Erkenntnis-, sondern ein Anpackproblem. Sein schnoddriger Ton – er warf den Soldaten schon mal vor, sie gierten zu sehr nach Anerkennung – kam innerhalb wie außerhalb der Truppe nicht gut an. Was de Maizière im Weg stand, war seine traditionelle Auffassung vom Soldatenberuf, sein Credo der Pflichterfüllung, sein Ethos des Dienens. Damit hat er, so kann man rückblickend auf die Zahlen derer sagen, die sich freiwillig zum Dienst bei der Bundeswehr melden, keine Massen zu mobilisieren vermocht. Jetzt versucht es Leyen auf ihre Art. Es ist das erfolgversprechendere Vorgehen.

Die Bundeswehr ist kein Arbeitgeber wie jeder andere – der Beruf des Soldaten ist kein Beruf wie jeder andere. Aber aus Sicht der umworbenen jungen Menschen konkurriert die Truppe mit jedem anderen Arbeitgeber. Und da spielt Familienfreundlichkeit eine große, wie die Berichte des Wehrbeauftragten über Beschwerden der Soldaten Jahr für Jahr zeigen, sogar eine immer größere Rolle. Leyen, die so instinktsichere wie ehrgeizige Politikerin, kann als Mutter der Kompanie nur gewinnen. Das Thema ist richtig. Es ist wichtig. Es ist der folgerichtige zweite Schritt einer Reform der Bundeswehr von einer einstmals 500.000- Mann-Verteidigungsarmee im Kalten Krieg hin zu einer global schnell einsatzfähigen kleinen Truppe am Beginn des 21. Jahrhunderts. Aber hat die Ministerin nicht noch viel mehr im Blick zu behalten? Ist es nicht ihre Aufgabe, sich um Rüstungsskandale und Waffenexporte, um die Verbündeten und die Ausrüstung der Soldaten zu kümmern? Ja, ist es. Und es ist nicht das eine oder das andere, Mensch oder Material – es ist beides. Es ist beides und noch viel mehr. Und es ist alles zugleich. Wenn es Leyen gelingt, Wort zu halten, das alles zu wuppen, ohne zusätzliche Kosten für die Steuerzahler – dann wird man nicht nur sagen, dass sie Kanzlerin kann. Dann wird man von ihr sagen, in Abwandlung eines Satzes, den sie ihrem Vorgänger zu dessen Abschied nachrief, sagen müssen: Ursula, du bist im vornehmsten Sinne des Wortes eine Staatsdienerin.

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