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Meinung: Vor ihm die Sintflut

Tony Blair wird zurücktreten – seine Partei aber steckt in einer ihrer tiefsten Krisen

Einen Tag nachdem Tony Blair, durch die Attacken seiner Parteifreunde tödlich verwundet, die Bühne für den Kampf seiner Nachfolger freigab, ging es in der britischen Politik um das Lächeln von Gordon Brown.

Der Schatzkanzler warf sich den staatsmännischen Mantel über, versprach den „Sun“-Lesern, er werde schon bald den Amerikanern versichern, dass es beim Schulterschluss mit den USA bleibt, und bewies in Edinburgh mit einer verdrechselten Rede, dass ein Schotte britischer Premier sein darf. Aber dieses selbstzufriedene Lächeln, das Brown am Mittwoch nach dreieinhalb Stunden Streit mit Blair auf dem Gesicht hatte, während sich die Labourpartei in selbstdestruktiver Raserei zerfetzte, das konnte er nicht mehr ungeschehen machen.

„Absolut dumm und spalterisch“, nannte der ehemalige Innenminister Charles Clarke dieses Lächeln in einer brutalen Attacke auf den kommenden Mann. Für Clarke bewies es nämlich, dass Brown nicht das Zeug zum Führer der Nation hat. Tief legte er so den Finger in die Wunden Browns – und um die wird es erst einmal gehen: seine Kommunikationsunfähigkeit, seine Leidenschaft für Hinterzimmerverschwörungen, seine Nervosität, seine Unkollegialität, sein mangelndes Selbstvertrauen.

Der Streit zeigt, wie jämmerlich Blairs Plan eines würdigen Abgangs gescheitert ist. Die Labourpartei ist in ihrem desolatesten Zustand seit ihrer Krise mit den militanten Linken im Jahr 1983. Und in diesen Jammerhaufen schleuderte Clarke seine Handgranate.

Nun wird gestritten, wer schuld ist. War Brown der Attentäter, der feige aus dem Hinterhalt seine Schergen vorschickte? Hat Blair sich durch seine ungeliebte Außenpolitik, seine jahrelange Arroganz gegenüber der Partei, sein eigenes Grab geschaufelt? Wie auch immer: Brown hätte die Krise abwenden und die Partei zur Ordnung rufen können. Das hat er unterlassen, und für diesen Fehler – symbolisiert in seinem Lächeln – wird er büßen. Die Frage ist, ob er die Partei noch einmal einigen und mit Zukunftskapital ausstatten kann.

Browns Schwäche hat noch eine andere Seite: Sein düsterer, buchhalterischer Charakter ist fast das Einzige, was die Briten von ihm kennen. Auch wenn er jahrelang aus dem Schatzministerium in alle Bereiche hineinregierte und von den Briten als Architekt ihres „Wirtschaftswunders“ respektiert wird – in der Flut der Verwaltungsvorschriften aus dem Schatzamt wurden die Konturen seines politischen Charakters bis zur Unkenntlichkeit verwischt.

Vielleicht ist das gar nicht so wichtig. Denn daran, dass die britische Politik fest auf das Gleis des „Dritten Weges“ geführt wurde, ändert das nichts. Margaret Thatcher trimmte die Briten auf eine realistische, liberale Wirtschaftspolitik. Blair akzeptierte das und fügte ihr eine neue Verpflichtung der öffentlichen Hand auf moderne Dienstleistungen hinzu, vor allem in den Bereichen Gesundheit und Bildung. So wie Thatcher einst die Labourpartei zur Reform zwang, hat Blair Camerons Tory Party gezwungen, diesen neuen „Contrat social“ zu akzeptieren. Mag sich die Labourpartei zerfetzen. Die Tories stehen bereit, Blairs Erbe anzutreten.

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