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Meinung: Vorne verteidigen

Warum die neue Nato-Truppe schnell an die Grenzen des Völkerrechts stoßen könnte

Seit Wolfgang Schäubles Bundestagsrede vor knapp einer Woche steht das Wort auch in Deutschland im Raum: „Präventivschläge“. Terroristen mit einem Zweitschlag zu drohen, werde in Zukunft nicht mehr ausreichen. Es sind Reizworte, die Schäuble da in die Diskussion wirft. Gerade in Deutschland liegt die Schwelle für Militärschläge hoch. Nur wenn die Bundesrepublik oder ein Nato-Partner angegriffen werden, kann Deutschland militärisch reagieren – oder mit weitgehender Rückendeckung der UN. Andere Szenarien zu diskutieren, darauf scheint die Gesellschaft nicht vorbereitet zu sein.

Betrachtet man die neuen Gefahren, die mit der Internationalisierung des Terrors verbunden sind, so hat Schäuble Recht: Mit einem Zweitschlag zu drohen, gar einem atomaren, gehörte zur Abschreckungsstrategie des Kalten Krieges. Die konnte nur Frieden sichern, wenn der Gegner rational handelte. Und wenn er Territorium und Bevölkerung vor Zerstörung bewahren wollte. Mit Terroristen vom Schlage Al Qaidas funktioniert diese Logik nicht mehr. Sie bangen weder um ihr Leben noch um das irgendeiner Bevölkerung. Auch das Territorium, von dem aus sie operieren, ist ihnen egal. Im Zweifel suchen sie sich eine neue Basis. Deshalb ist die „präemptive Prävention“ ein Thema des Nato-Gipfels von Prag. Die Amerikaner möchten, dass die schnelle Eingreiftruppe auch für vorbeugende Aktionen zur Verfügung steht. Nur: Das Völkerrecht setzt präventiven Militärschlägen einen engen Rahmen.

Es gibt nur drei Konstellationen, die überhaupt ein militärisches Eingreifen erlauben: Entweder, Terroristen werden mit Billigung des Staates verfolgt, auf dessen Territorium sie Zuflucht gesucht haben – so, wie die USA es derzeit auf den Philippinen praktizieren. Gegen den Willen eines Staates einzugreifen ist nur gerechtfertigt, wenn der Sicherheitsrat zustimmt – oder aus Notwehr. Zwar muss ein Staat nicht erst angegriffen werden, um sich verteidigen zu dürfen. „Antizipierende Selbstverteidigung“ ist allerdings nur erlaubt, wenn ein Angriff unmittelbar droht. Und damit beginnt das Problem einer präventiv tätigen Nato-Truppe.

Wolfgang Schäuble hat ein Schreckensszenario entworfen: Eine „Kombination von internationalem Terrorismus, Massenvernichtungswaffen und Trägertechnologien“, die jeden beliebigen Punkt der Erde erreichen können. Das ist, mit Verlaub, übertrieben. Und verfehlt auch den Charakter des neuen Terrorismus. Der hat ja bisher nicht versucht, etwa komplizierte Raketentechnik zu nutzen, die schwer zu bekommen ist und zu viele Spuren bei der Beschaffung hinterlässt. Und er schlägt aus dem Innern der westlichen Gesellschaften zu. Länder, in denen die Regierung nicht überall das Sagen hat, dienen nur als Rückzugsgebiete. Die neue Eingreiftruppe wird Staaten wie Indonesien oder Jemen gegen Terroristen zur Hilfe kommen können. Ohne Zustimmung der betroffenen Länder wird es aber schwierig: Im Fall Afghanistans war die Verbindung zwischen Regime und Al Qaida so eng, dass der Angriff auf Amerika als Angriff der Taliban gewertet wurde. Wenn ein Staat Terroristen aber nur beherbergt, reicht das nach internationalem Recht nicht aus, um einen Militäraktion zu rechtfertigen.

Schäubles Vorstoß ist letztlich die Verlängerung seiner Forderung, die Bundeswehr zum Heimatschutz einzusetzen. Er will die Armee als Anti-Terror-Polizei im Innern und, mit der Nato, nach außen einsetzen. Allerdings darf die Frage gestellt werden, ob die schnelle Eingreiftruppe zusammen mit der Strategie der präemptiven Prävention nicht der Schritt ist, der aus dem Verteidigungsbündnis eine Interventionsstreitmacht werden lässt. Einer solchen Umformung müsste der Bundestag zustimmen. Und er wird auch später gut beraten sein, jede Militäraktion der Truppe sorgfältig zu prüfen. Denn nur, wenn jeder Einsatz, an dem sich Deutschland beteiligt, klar im Rahmen des Völkerrechts erfolgt, wird Begriffen wie „Präventivschlag“ der Hautgout des Illegalen genommen.

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