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Meinung: Vornehme Zurückhaltung

Mehr Geld für mehr Europa? Deutschland und die Erhöhung des EU-Haushalts

Immer, wenn es zum Schwur kommt, entscheiden die Staats- und Regierungschefs einstimmig: Wir wollen mehr Europa. Mehr Europa bei der Bildung, mehr Europa bei der Forschung, mehr Europa in der Außenpolitik, und mehr Europa für die Polizei. Weniger Europa bei der Agrar- oder Regionalpolitik kam nicht in Frage. Bisher war das kein Problem. Selbst wenn mehr Europa auch hieß: mehr Geld für Europa, und mehr Macht für Europa.

Mehr Europa wollen sie – offiziell – immer noch. Aber mehr bezahlen wollen sie dafür nicht. Das ist ein Widerspruch, denn mehr Europa für das gleiche Geld, das funktioniert nicht. In Deutschland ist es zwar im Augenblick schwer vermittelbar, dass die Menschen für Europa noch tiefer in die Tasche greifen sollen – und gleichzeitig die Europäische Kommission von der Regierung einen noch schärferen Spar- und Reformkurs fordert. Immerhin würde eine Erhöhung des EU-Haushalts auf 1,15 Prozent des Bruttonationaleinkommens, wie sie die Kommission fordert, die deutschen Steuerzahler erheblich mehr belasten. Das Budget würde zwischen 2007 und 2013 von 100 auf 143 Milliarden Euro steigen – jetzt zahlt Deutschland bereits 22 Milliarden. Als „Nettozahler“ gehört Deutschland zudem zu jenen, die weniger aus den EU-Töpfen für Bauern und Regionen zurückbekommen, als sie einzahlen.

Dennoch: Wenn die Nettozahler weniger zahlen wollen, dann müssen sie sagen, wie die Osterweiterung stattdessen finanziert werden soll. Sie alle haben zugestimmt – wohlwissend, dass die zehn Neuen mit ihren landwirtschaftlichen und wirtschaftsschwachen Strukturen die Agrar- und Regionalpolitik viel Geld kosten werden.

Sparpotenzial gibt es hier genug: Immerhin verschlingen beide Bereiche zusammen 80 Prozent des EU-Haushalts. Aber Deutschland und seinen Mitstreitern fehlt der politische Mut, im Agrarbereich oder bei der Regionalförderung zu sparen. Denn dann müssten auch die deutschen, französischen oder englischen Bauern mit Abstrichen rechnen – und die ostdeutschen Länder auch. Hier wollen Schröder oder Chirac also offensichtlich nicht weniger Europa.

Zudem haben die Staatschefs ihr Ziel, die EU bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten Region der Erde zu werden, nicht zurückgenommen. Auch dafür plant die Kommission Milliarden für Forschung und Innovationspolitik ein, genauso wie für die Sicherung der Außengrenzen und die europäische Außenpolitik. Auch diese Pläne wurden von den Nettozahlern noch nicht zunichte gemacht.

Insgesamt gibt es also den Wunsch nach mehr Europa. Aber beim EU-Haushalt ist es wie beim nationalen Budget: Dort, wo es politisch schwierig ist, sinnlose Subventionen zu streichen, hält man sich damit zurück. Lieber unterstellt man den Bürokraten aus Brüssel überzogene Wünsche. Wenn man in beiden Bereichen an der richtigen Stelle sparen würde, wäre die EU-Finanzierung kein Problem. Die Mitgliedsländer müssen sich darüber klar werden, ob sie grundsätzlich ein anderes Europa haben wollen, eines mit weniger Geld, das dann auch weniger Macht hat. Das müssen sie dann aber auch offen sagen – und die Konsequenzen tragen.

Flora Wisdorff

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