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Vorratsdatenspeicherung: Echte Schutzlücken schließen

In Deutschland ist nicht die Sicherheit der größte Feind der Freiheit, sondern Fanatismus. Ein Kommentar.

Von Frank Jansen

Es ist ungewöhnlich, dass ausgerechnet der sonst eher zurückhaltend auftretende Thomas de Maizière jetzt so offensiv agiert. Beim Thema Vorratsdatenspeicherung spricht der Innenminister von einer „Schutzlücke“ in der Sicherheitsarchitektur. Das macht Angst, obwohl de Maizière sich von den Angstmachereien seiner Vorgänger Wolfgang Schäuble und Otto Schily eigentlich unterscheiden will. Ist nun wirklich Alarm angesagt, da die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zögert, mit einem Gesetzentwurf die vom Bundesverfassungsgericht im März außer Kraft gesetzte Vorratsdatenspeicherung wieder zu ermöglichen?

Alarm vielleicht nicht, aber Besorgnis. Es ist ernst zu nehmen, dass de Maizière und das ihm unterstehende Bundeskriminalamt eindringlich warnen, die Spurensuche über das Internet bei Ermittlungen gegen Terrorgruppen oder Verbreiter von Kinderpornografie sei behindert. Da Provider nicht mehr verpflichtet sind, Kundendaten ein halbes Jahr lang aufzubewahren, ist die Gefahr real, dass die Polizei bei hochkriminellen Internetnutzern ins Leere tappt.

Und sollte Al Qaida in Deutschland ein Anschlag gelingen, weil das BKA wegen eines fehlenden Gesetzes nicht in der Lage war, über eine IP-Adresse rechtzeitig an militante Islamisten heranzukommen, müsste sich die Bundesregierung, ja vermutlich „die Politik“ überhaupt, schwere Vorwürfe aus der Bevölkerung gefallen lassen. Schon jetzt ist kaum zu verstehen, warum Innen- und Justizministerium nicht intensiv kooperieren, um das Risiko einer Schutzlücke zu minimieren – selbst wenn sie weniger groß sein sollte, als de Maizière sie darstellt.

Dass Leutheusser-Schnarrenberger und Teile der FDP sich im Zweifel eher für Freiheitsrechte starkmachen als für Erfordernisse der Sicherheit, ist grundsätzlich sympathisch. Aber in Zeiten der permanenten Bedrohung durch islamistische Massenmörder sollten sich selbst eingefleischte Liberale im Klaren sein, dass Sicherheit die Freiheit vor Verletzungen schützt. In der Bundesrepublik ist nicht Sicherheit der größte Feind der Freiheit, sondern politisch motivierter Fanatismus. Auch Liberale und Linke sollten anerkennen, dass Deutschland im Innern bislang in fast allen Fällen islamistischer Angriffe von einem Anschlag verschont blieb, weil Schutzlücken rechtzeitig geschlossen waren. Das muss so bleiben. Sicherheit funktioniert nur, wenn sie jederzeit der Bedrohungslage angepasst wird.

Der Grundsatz gilt für die Bekämpfung schwerer Kriminalität insgesamt, nicht nur für Terror. Die Sicherheitsbehörden müssen in der Lage sein, dem Vormarsch des Verbrechens, gerade auch im Internet, auf Augenhöhe zu begegnen. Da sollte eine Justizministerin, die sich einst als Abgeordnete den Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung anschloss, ihre Prinzipien überprüfen – auch wegen der deutlich gestiegenen Verantwortung, die sie mit ihrem Amt übernommen hat.

Es ist nötig, dass Leutheusser-Schnarrenberger und de Maizière aufeinander zugehen, anstatt sich im Streit zu verhaken und nebenbei das arg verschrammte Antlitz der Regierung weiter zu lädieren. Sonst droht eine Endlosdebatte um eine mutmaßliche Schutzlücke, die Bevölkerung würde verunsichert. Wer das zulässt, wird selbst zum Sicherheitsrisiko.

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