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Meinung: Wach sein vorm Hahnenschrei

Bernhard Vogel wartet nicht, bis seine Nachfolge Thema wird

Er war nie ein Mann der lauten Töne, sondern stets ein zwar zielorientierter, aber immer geschmeidiger Arbeiter. Debatten um prunkvolle Amtssitze und zweifelhafte Pfründe hat es bei Bernhard Vogel nie gegeben. Nun hat der thüringische Ministerpräsident seine Nachfolge geregelt, wie er sein Bundesland seit elf Jahren regiert hat: unauffällig und erfolgreich. Dieter Althaus wird sein Nachfolger sein. Der CDU-Landeschef stammt aus Thüringen, Bernhard Vogel hat ihm seit einem Jahrzehnt die Chance gegeben, Profil zu entwickeln und Verwaltungserfahrung zu sammeln. Denn ohne eine funktionierende Verwaltung, das hat Bernhard Vogel bereits in seiner ersten Ministerpräsidentenkarriere in Rheinland-Pfalz begriffen, bringt man ein Land nicht vorwärts. Gerade diese unspektakuläre Herangehensweise hatte ihn in Thüringen, dem „neuen“ Bundesland, vor vielen Fehlern bewahrt. Aufbau von unten, lautete seine Devise, nachdem er den glücklosen und längst vergessenen Josef Duchac 1992 abgelöst hatte. Wie ganz anders sieht nun der reibungslose Übergang aus als im Nachbarland Sachsen, wo der hoch talentierte Kurt Biedenkopf in seinem Schatten keinem potenziellen Nachfolger Lebensraum zu lassen vermochte. Vor dem Hahnenschrei wach sein, ist die Devise.

Bernhard Vogel, seinem Bruder Hans-Jochen, dem Sozialdemokraten, darin überaus wesensgleich, war durch seinen unprätentiösen Stil und seinen beharrlichen Fleiß für die Thüringer ein Vorbild. Wenn in diesem Bundesland heute ein selbstbewusster Stolz wie in Sachsen spürbar wird, ist das wesentlich dem Vorbild Vogels zu danken – auch wenn das furchtbare Attentat auf das Gutenberg-Gymnasium wie eine düstere Wolke über seinem vorletzten Amtsjahr liegt.

Aufs Altenteil wird sich Vogel nicht zurückziehen. Sein Landtagsmandat will er bis zum Ende der Legislaturperiode im kommenden Jahr ausfüllen. Und da ist dann ja auch noch die Diskussion um die Nachfolge von Johannes Rau , falls dieser keine erneute Kandidatur für das höchste Staatsamt anstrebt. Nach den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen in der Bundesversammlung hätte ein Unionskandidat gute Chancen. Und Bernhard Vogel, der doppelte Ministerpräsident, stünde für beide Teile des wiedervereinigten Deutschland. Würden ihn CDU und CSU nominieren, ersparten sie sich die ganze Ost-West-Debatte, und eine Frau hätte dann zudem noch mehr Chancen als Aspirantin für das Amt des Bundeskanzlers.

Bleibt ein kleines Problem. Johannes Rau ist am Ende seiner Amtszeit im kommenden Mai 73 Jahre alt. Wollte er unter Hinweis auf sein Alter auf eine erneute Bewerbung verzichten, würde es für Bernhard Vogel argumentativ schwer. Denn der kann im Dezember 2004 seinen 72-ten Geburtstag feiern.

Gerd Appenzeller

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