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Meinung: Wählt Schröder, ihr Deutschen!

Der Kanzler verdient es, im September wiedergewählt zu werden Von Jacob Heilbrunn

Der Drang der Deutschen, Gerhard Schröder von Bord zu schmeißen, ist verständlich, weit verbreitet – und katastrophal für Deutschland. Von außen kann man nur mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, wie das Land einem Anfall politischer Hysterie erliegt, der die wirtschaftlichen und politischen Probleme verstärken, nicht beseitigen wird. Statt Schröder in die Wüste zu schicken, sollte sich Deutschland an ihm festhalten wie an einer Rettungsleine.

Innen wie außenpolitisch hat Schröder Instinkt und gute Urteilskraft bewiesen. Klar, Deutschland leidet unter einer Arbeitslosenquote von über zehn Prozent, und Schröder hat etwas voreilig angekündigt, die Zahl zu reduzieren. Aber er hat echten politischen Mut bewiesen, als er die Ergebnisse der Hartz-Kommission umsetzte. Es ist kein Geheimnis, dass Deutschland seinen Arbeitsmarkt reformieren, Arbeitskosten senken und wettbewerbsfähiger werden muss. Hartz, geschmäht von den Dinosauriern auf der Linken, ist ein erster Schritt, der sich bald auszahlen wird. Schröder abzuwählen bedeutet schlicht, dass die CDU vom Wirtschaftsaufschwung profitiert, den Schröder in Gang gesetzt hat.

Im Übrigen: Hat keiner gemerkt, dass zu den Leistungen dieses Kanzlers auch gehört, die Grünen domestiziert, ihnen den Pazifismus ausgetrieben und sie auf eine solide Wirtschaftspolitik verpflichtet zu haben?

Und, natürlich, die Außenpolitik: Anders als Blair, der sich in ein Anhängsel der Bush-Regierung verwandelte, stellte sich Schröder gegen den Irakkrieg. Wieder einmal, wie es so seine Art ist, schlug er bei seinen Angriffen auf Bush über die Stränge. Aber seine Position war richtig; die Invasion wurde zum Desaster. Aus deutscher Sicht war seine Haltung vernünftig.

Damit kommen wir zu Schröders größter Leistung: die Wiederherstellung des deutschen Selbstbewusstseins. Schröder hat es klug verstanden, deutsche Interessen zu verfolgen, er hat einen unabhängigeren Weg für Deutschland beschritten. Es wäre einigermaßen überraschend, wenn die Wähler Merkels Weg folgen und die deutschen Interessen den amerikanischen unterordnen wollten – aber das könnte geschehen, wenn Merkel gewählt würde. Nichts würde Bush mehr freuen als eine Niederlage Schröders.

Vielleicht wird Merkel alle überraschen und für deutsche Interessen eintreten, vielleicht wird sie Reformen umsetzen, die die starre deutsche Wirtschaft aufbrechen. Aber niemand sollte vergessen, dass es die CDU unter Helmut Kohl war, die Deutschland in den ökonomischen Morast geführt hat – durch den Widerstand gegen jegliche Wirtschaftsreformen und durch das Versprechen einer schon nach wenigen Jahren blühenden Wirtschaft im Osten.

Leider scheint die SPD unter einer Amnesie zu leiden, was Schröders Leistungen angeht. Im Bemühen, lieber tugendhaft als erfolgreich zu sein, streitet sie nun, ob sie irgendwann einmal mit der PDS koalieren sollte. Nicht Schröder, sondern die SPD trägt die Schuld am drohenden Untergang.

In der Tat: Gerade jene Eigenschaften, die Schröder in Deutschland in Verruf gebracht haben, sind in Amerika besonders geschätzt. Er ist schlagfertig, oberflächlich, opportunistisch. Er hat genau jene Qualitäten, die Deutschland braucht, um gegen kommende ökonomische und politische Stürme gewappnet zu sein.

Wenn die Deutschen seine Fähigkeiten nicht zu schätzen wissen, sollte Schröder sich vielleicht überlegen, in die USA zu emigrieren und der Demokratischen Partei neue Impulse zu geben – so wie er es einst mit der SPD getan hat.

Der Autor ist Leitartikler der „Los Angeles Times“.

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