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Auf Augenhöhe mit der Weltmacht: Ägyptens Präsident Mohammed Mursi war für die Verhandlungen über einen Waffenstillstand im Gaza-Konflikt ebenso wichtig wie die US-Außenministerin Hillary Clinton.

© Reuters

Waffenstillstand im Nahen Osten: Gewonnen hat Ägypten

An Tag eins nach Inkrafttreten stritten in Israel und Gaza die Geister darüber, ob die Waffenruhe nun als Erfolg der Hamas oder als Erfolg Netanjahus zu werten ist. Sicher gewonnen hat ein Dritter: Mohammed Mursi.

Die Einigung zwischen Hamas und Israel ist ein diplomatischer Triumph für Ägypten, dessen Präsident Mohammed Mursi während der acht Tage Luftkrieg mit klarem Kopf einen klaren Kurs hielt. Er hat das außenpolitische Prestige seines Landes nicht durch schäumende Solidaritätsrhetorik an eine Handvoll Hamas-Hitzköpfe ausgeliefert. Er hat seinen Premierminister im Raketenhagel nach Gaza geschickt und so die Empörung in Ägypten unter die Aufruhrschwelle gedämpft. Wüste Sprüche aus der eigenen Muslimbruderschaft hat der fromme Ingenieur staatsmännisch ignoriert. Gleichzeitig machte Mursi unaufgeregt klar, dass Israels jahrzehntelange Politik der Isolierung, Drangsalierung und Unterdrückung gegenüber den Palästinensern eine Sackgasse ist. Ägypten hat für Frieden gesorgt, zusammen mit den USA.Kairos Führung aber wird nun im Sinne des Arabischen Frühlings darauf pochen, dass auch die Menschen im Gazastreifen eine Perspektive erhalten und die Palästinenser als Volk eine reale Hoffnung auf Souveränität und eigenen Staat.

Denn nach wie vor ist Israels Politik gegenüber den Beherrschten nichts weiter als ein Spiegelbild des althergebrachten, autokratischen Nahen Ostens. Das Recht auf Freiheit zählt nicht, die Forderung nach Selbstbestimmung gilt als Polizeiproblem. Zäune, Mauern und Verhaftungskommandos sollen für Ruhe sorgen. Abertausende sitzen hinter Gitter.

Kein Land der Erde muss sich mit Raketenbeschuss auf sein Territorium abfinden, hat Kanzlerin Merkel mit Blick auf Israel völlig zu Recht betont. Allerdings würde sich auch kein Volk der Erde damit abfinden, dass die Hälfte seiner Landsleute auf ewig in einem 60 Kilometer langen Küstenstreifen eingesperrt bleibt – zu 80 Prozent abhängig von Mehllieferungen des UN-Flüchtlingshilfswerkes, ohne Chance auf ein würdiges Leben mit ordentlicher Arbeit oder höherer Bildung, ohne Recht auf problemlose Besuche bei Verwandten in der nahen Westbank oder Reisen in die Welt. Jedes Segelboot mit Gaza-Aktivisten wird von Israels Marine aufgebracht und wie eine Horde Verbrecher abgeschleppt. Jeder Fischer, der weiter als 3000 Meter in Richtung offenes Meer tuckert, läuft Gefahr, beschossen zu werden.

Zu keinem Zeitpunkt hat Israel seit dem Gazakrieg 2008 mit sich über sein Grenzregime reden lassen. Stattdessen wurde Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wieder und wieder vor den Kopf gestoßen, zuletzt sogar von Israels Vizepremier offiziell für irrelevant erklärt. Selbst zu der simplen Geste politischen Anstands, während der Verhandlungen den Siedlungsbau einzustellen, ist Israels Führung nicht bereit. Denn die große Mehrheit seiner politischen Klasse hat kein Interesse mehr an einem Ausgleich mit dem Nachbarvolk.

Ägyptens Präsident Mursi weiß aus den engen Kontakten der letzten Tage, dass Barack Obama das nervtötende Taktieren Israels trotz öffentlicher Nibelungentreue ähnlich einschätzt. Das hat Vertrauen zwischen den beiden ungleichen Partnern gestiftet. Entsprechend hoch sind nun die Erwartungen an den voreilig gekürten Friedensnobelpreisträger. Seit seiner Rede in Kairo steht der US-Präsident bei der arabischen Welt im Wort. Unerträglich nannte er damals die Situation des palästinensischen Volkes und die täglichen Demütigungen durch die israelische Okkupation. Und er versprach, Amerika werde die Palästinenser in ihrer Sehnsucht nach Würde, Chancen und einem eigenen Staat nicht im Stich lassen.

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