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Die Griechen stimmen am Sonntag ab. Bei der Parlamentswahl entscheidet sich womöglich auch, ob das Land in der Eurozone bleibt.

© dapd

Wahl am Sonntag: In Griechenland kann es kein "weiter so" geben

Sparvorgaben sind nur sinnvoll, wenn sie erfüllbar sind. Die bisherige Planung für Griechenland ist realitätsfremd. Das Konsolidierungsprogramm muss gestreckt, die Hilfskredite weiter aufgestockt werden. Voraussetzung ist eine Regierung, die sich zur Stabilitätspolitik bekennt.

Über einen Mangel an guten Ratschlägen können sich die Griechen nicht beklagen, wenn sie am Sonntag zu den Wahlurnen gehen. Außenminister Guido Westerwelle warnte sie davor, „populistischen Versprechungen“ zu glauben; Finanzminister Wolfgang Schäuble mahnte: „Es gibt keinen bequemen Weg“; und Kanzlerin Angela Merkel appellierte an die Griechen, ihre Spar- und Reformversprechen einzuhalten. Aber wohlmeinende Aufrufe nützen eher extremen Kräften wie dem radikal- linken Bündnis Syriza, dessen Chef Alexis Tsipras das „barbarische Spardiktat“ beenden und die Kreditverträge mit der Europäischen Union annullieren will. Ohnehin fühlen sich die Griechen von den Europäern bevormundet.

Umgekehrt hat sich in vielen Köpfen in Europa im Verlauf der Krise die Vorstellung von Griechenland als einem „Fass ohne Boden“ festgesetzt. Dabei wird übersehen, dass die Griechen beim Kampf gegen das Haushaltsdefizit durchaus Erfolge vorzuweisen haben. So belief sich der Fehlbetrag in den ersten fünf Monaten 2012 auf 10,9 Milliarden Euro. Das waren rund zwei Milliarden weniger als im Budget veranschlagt. In den Jahren 2010 und 2011 hat Griechenland sein Haushaltsdefizit um 6,5 Prozentpunkte vom Bruttoinlandsprodukt gedrückt. Das ist die größte Konsolidierungsleistung, die ein EU-Land jemals in so kurzer Zeit erbracht hat. Allerdings um einen hohen Preis: Die Wirtschaftsleistung ist seit Beginn der Krise um fast ein Fünftel geschrumpft. Das Land geht ins fünfte Jahr der Rezession.

Eine Politik, die jeden Tag tausend Menschen arbeitslos macht und ein knappes Drittel der Bevölkerung an die Armutsgrenze treibt, ist eine gescheiterte Politik. Was Griechenland jetzt erlebt, ist nicht nur ein Absturz der Wirtschaft. Auch das politische System gerät aus den Fugen. Das Erstarken extremistischer Gruppierungen wie der Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“ und die zunehmende politische Gewaltbereitschaft sind Warnsignale.

Unabhängig davon, wer die Wahl am Sonntag gewinnt, kann es deshalb kein „weiter so“ geben. Die beste Medizin ist, überdosiert, lebensgefährlich. Die Gläubiger haben Griechenland anfangs zu strikte Sparauflagen gemacht; sie überfordern das Land und würgen seine Wirtschaft ab. Der Schuldenschnitt vom März dieses Jahres war ein erster wichtiger Schritt, die Schuldentragfähigkeit wiederherzustellen. Er kam, wie alle Rettungsmaßnahmen, viel zu spät. Hätte sich die zögernde Politik Europas bereits ein Jahr früher dazu entschlossen, wäre die Maßnahme wirkungsvoller und für alle deutlich billiger geworden.

Was nun folgen muss, ist eine Anpassung des Konsolidierungsprogramms an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Griechenlands. Sparvorgaben sind nur dann sinnvoll, wenn sie erfüllbar sind. Die bisherige Planung, wonach die Griechen in den beiden kommenden Jahren erneut knapp zwölf Milliarden Euro einsparen müssen, ist so realitätsfremd wie die Annahme, das Land könne schon 2015 wieder an den Kapitalmarkt zurückkehren. Das Konsolidierungsprogramm muss gestreckt werden, um mindestens zwei, besser drei Jahre. Das bedeutet, so schmerzhaft das auch klingen mag: die Hilfskredite müssen noch einmal aufgestockt werden. Aber Voraussetzung für weitere Hilfen ist natürlich eine griechische Regierung, die sich zu den Zielen der Stabilitätspolitik in der Euro-Zone und damit zu Europa bekennt. Darum geht es bei der Wahl am Sonntag.

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