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Meinung: Wahlen in Hamburg: Weltstadt mit Provinzpolitik. Die Hamburger hatten keine Wahl - und sind doch hingegangen

Hamburg, Tor zur Welt - so will die Stadt international Staat machen. Und daran ist ja auch einiges wahr.

Hamburg, Tor zur Welt - so will die Stadt international Staat machen. Und daran ist ja auch einiges wahr. Von dieser europäischen Metropole des Handels und der Überseeschifffahrt kann man wirklich in die Welt gelangen. Vieles an ihr ist sogar weltläufig, mindestens britisch - nur die Politiker, die seit einigen Jahren den Ton angeben, sind das alles eher nicht. Hamburg, das ist das Ohnsorg-Theater und Heidi Kabel, die Reeperbahn und Udo Lindenberg, der HSV und der FC St. Pauli. Aber wer kennt schon den amtierenden Ersten Bürgermeister außerhalb der Stadtmauern? Das genau ist die Folie für die Wahl in diesem Bundesland.

Ortwin Runde heißt der Bürgermeister, und nach einer Legislaturperiode hat er sich als Spitzenkandidat dem Wählerurteil gestellt. Runde, ein Sozialdemokrat, wie überhaupt der "Erste" in Hamburg 44 Jahre von der SPD gestellt wird, ein früherer Beamter. In der Partei Max Brauers, Paul Nevermanns, Klaus von Dohnanyis haben sie gehofft, er werde wachsen mit dem Amt. Zumindest bekannter werden. Aber, so lautet hamburgischer Spott: Seehund Antje vom Norddeutschen Rundfunk ist bekannter als Seehund Ortwin. Bundesweit werden manche führende Sozialdemokraten als "Führungsreserve" für Ämter genannt - Runde nicht. Den Solidarpakt II zwischen Bund und Ländern sollte er für den Kanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder verhandeln, als Chance, Profil zu gewinnen. Runde nutzte sie nicht.

Doch auch die Union hat keinen Kandidaten von bundespolitischem Rang. Sie hat einen von Adel: Ole von Beust. Nur ist Adel in dieser Stadt nicht wichtig; das Bürgerrecht zählt. Immer noch wirkt der Christdemokrat jugendfrisch, auch jetzt, bei seinem zweiten Anlauf. Beim ersten, 1997, hat Beust mit gut 30 Prozent zumindest einen Achtungserfolg erzielt. Und immer noch wird von ihm behauptet, er gehöre zu jenen "Jungen Wilden", denen in der CDU die Zukunft gehöre. Doch hat Beust andererseits die Hoffnungen in der Bundespartei bis heute nicht eingelöst, so milde und fast unhörbar war er, und in Hamburg halten sich die Vorbehalte: Hat Beust die Disziplin, ja überhaupt wirklich ausreichend Lust, den Stadtstaat zu regieren? Und hat er die Härte für eine Blockbildung der Bürgerlichen mit der FDP, unter Einschluss des äußerst rechten "Richters Gnadenlos", Roland Barnabas Schill? Diese Fragen stellen sich einem, von dem manche in seiner Partei behaupten, am liebsten würde er Europa-Parlamentarier.

So sind dann auch die Veranstaltungen der jeweiligen Spitzenkandidaten besucht: mäßig. Dabei kann Runde Erfolge aufzeigen, seine Koalition hat einige Großprojekte angeschoben. Den Bau der vierten Röhre des Elbtunnels zum Beispiel, den Bau des Super Airbus, das neue Container-Terminal im Hafen, die Vertiefung der Elbe. Die Zahl der Menschen ohne Arbeit oder mit Sozialhilfe sank in den letzten Jahren hier schneller als im Bundesdurchschnitt. Dennoch wollten Runde bei einer Direktwahl nur 40 Prozent der Hamburger die Stimme geben. Die reibungslose Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner GAL, wie die Grünen dort heißen, ging außerdem zu deren Lasten. Noch dazu lebt bei ihnen der alte Konflikt fort: Krista Sager als Wissenschaftssenatorin ist höchst realpolitisch, Antje Radcke als Parteisprecherin gerne regierungskritisch. Unter diesen Umständen ist eine "Ampel" schwierig, eine Koalition mit der ohnehin widerstrebenden FDP, die von Bundesparteichef Guido Westerwelle gedrängt wird.

Und dann ist auch noch die Frage der Inneren Sicherheit wieder aufgetaucht. Schon 1997 hatte Henning Voscherau, Rundes Vorgänger, zu spät reagiert auf ein heikles Thema, das den strukturkonservativen Sozialdemokraten in traditionellen Arbeiterbezirken enorm wichtig ist. Runde hätte gewarnt sein müssen. Aber erst vor einem guten Vierteljahr änderte er den Kurs, holte er den schneidigen Olaf Scholz aus dem Bundestag, wo der den sozial sehr heterogenen Wahlkreis Altona-Elbvororte vertreten hatte. In der Zwischenzeit hat die Angst allerdings einen Lautsprecher gefunden: Schill. Und die Angst ist wohl noch gewachsen, seitdem bekannt geworden ist, dass sich einige der mutmaßlichen Attentäter von New York und Washington jahrelang in Hamburg aufgehalten haben. Da kommt ganz schnell politische Wechselstimmung auf.

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