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Kandidat und Präsident packen bei der Katastrophenhilfe mit an.

© Reuters, dapd

Wahlkampf nach dem großen Sturm: Hurrikan "Sandy" zeigt den Charakter der Kandidaten

Eine Woche bis zur Wahl, alles war berechnet, bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma. Dann kam der Sturm und alles war anders. Wie viel Staatsmann muss sein, wie viel Wahlkampf darf noch sein?

Es war berechnet, bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma. Jetzt ging es nur noch um die jungen, verheirateten Frauen in Franklin County, Ohio. Und um die hispanischen Mittelständler in Hillsborough County, Florida. Und um die Stimmen der Militärs im Süden Virginias. Kann Mitt Romney Präsident werden, wenn er Ohio verliert, aber Florida und Wisconsin gewinnt. Oder wird diesmal Colorado den Ausschlag bei der Wahl geben? Es waren nur noch wenige Tage bis zur Entscheidung. Jetzt bloß nichts mehr dem Zufall überlassen!

Dann kam Sandy, der Sturm. Plötzlich sahen sich beide Kandidaten aufs weite Feld der Improvisation gestoßen. Wie viel Staatsmann muss sein, wie viel Wahlkampf darf noch sein? Barack Obama schien zunächst im Vorteil zu sein. In Zeiten der Not goutiert das Volk den Macher. Bei Katastrophen zeigt sich der wahre Charakter. Obama wandte sich an die Nation, der Präsident war wieder da. Gefragt, welche Auswirkungen Sandy auf die Wahl haben werde, antwortete er: „Unsere oberste Priorität ist es, Menschenleben zu retten.“

Romney durfte nicht in die Präsidentenrolle schlüpfen, das wäre anmaßend gewesen. Er durfte nicht versuchen, den obersten Trostspender zu spielen. Das hätte arrogant gewirkt. Aber ganz abtauchen? Also sagte er am späten Montagmorgen alle Wahlkampftermine für Montag und Dienstag ab: Sehr spät, monierten Kritiker. Gerade rechtzeitig, meinten seine Anhänger.

Abgesehen von Stilfragen tat sich umgehend ein politisches Problem für den Republikaner auf. Romney propagiert den schlanken Staat. Wie schlank darf ein Staat bei einer Naturkatastrophe sein? Ist die Bundesregierung wirklich immer so groß und böse, wie Konservative meinen? Die Sturmfolgen sind in mindestens drei der neun Swingstates zu spüren: Virginia (stark), North Carolina (stark), Ohio (nicht so stark).

Die Frühwähler, die Obama intensiv mobilisierte, werden nun andere Sorgen haben, zumal unklar ist, welche Wahllokale offen sind. Und noch einen Minitrost gibt es für Romney: Vor fünf Jahren ergab eine Studie, dass vom schlechten Wetter am Wahltag normalerweise die Republikaner profitieren.

Aber sicher ist nur, dass nach Sandy jetzt gar nichts mehr sicher ist. Nicht einmal mehr die Unsicherheit.

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