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Meinung: Wahnsinnssache Sportschau

Das Zentralorgan des Fernseh-Fußballfans hat gegen den Abo-Sender Premiere gesiegt

Da hat sich einer verzockt. Der Abo-Sender Premiere war der festen Überzeugung, er könne die ARD-„Sportschau“ um 18 Uhr 10 vom Sender fegen. Als Gegenleistung für die Aufgabe – oder Verlegung der ARD-Sendung nach 22 Uhr – hätte Premiere an die Deutsche Fußball- Liga (DFL) die kolportierte Wahnsinnssumme von 300 Millionen Euro pro Spielzeit überwiesen.

Was die Truppe um Senderchef Georg Kofler nicht einsehen wollte: Die „Sportschau“ ist mit ihren sieben Millionen Zuschauern die zentrale Vermarktungsplattform für die 36 Profiklubs und ihre zahlungskräftigen Sponsoren. Die „Sportschau“ ist das Zentralorgan des Fernseh-Fußballfans – und nicht Premiere mit seinen 3,5 Millionen Abonnenten. Die DFL hat klug gehandelt. Sie verteilt die Rechte auf das frei empfangbare Fernsehen von ARD, ZDF und DSF, die neue Abo-Plattform Arena, die Online- und Internetrechte gehen an die Telekom. Die DFL will sich nicht von einem Nachfrager abhängig machen, sie setzt auf Wettbewerb, der den Preis treibt. Und verzichtet sogar auf höhere Erlöse, wie sie bei einem Deal mit Premiere zu erzielen gewesen wären. Die Fernseh-Bundesliga gehört in den frühen Abend, längst ist sie in den Familien, bei Mann, Frau und Kind angekommen. Die DFL betreibt mit der „Sportschau“ schlaues Marketing – und Daseinsvorsorge.

Fußball, auch das macht die Entscheidung für die ARD-„Sportschau“ und gegen Premiere deutlich, ist eine Art Grundnahrungsmittel für viele Deutsche. Gegen die Fans, gegen die Sesselsportler, geht nichts in diesem Land. Das kann den großen Rest der öffentlich-rechtlichen Zuschauer auch empören. Wenn die ARD tatsächlich 80 Millionen Euro für eine Bundesliga-Saison ausgibt, dann entspricht das der Summe, die der größte und reichste ARD-Sender, der Westdeutsche Rundfunk, für seine fünf Hörfunkprogramme in einem Jahr aufwendet. Bei Fußball und Fernsehen liegen Wahnsinn und Vernunft ganz eng zusammen. Der unschuldige Gebührenzahler, so er denn den Fußball verlacht, hat keine Chance. Fußball ist unser Leben, das muss jetzt auch der letzte Leder-Muffel begreifen!

Mit dem gefundenen Vergabemodell wird aber nicht nur an den Fernsehfan gedacht. Zahlreiche Medienpolitiker hätten Zeter und Mordio geschrien, wenn einem gewichtigen Teil des TV-Publikums sein wichtigster Einschaltimpuls genommen worden wäre. Mit Fußball ist fette Einschaltquote zu machen, mit Fußball wird sogar populistische Politik gemacht.

Was wird der Profifußball in Deutschland mit dem Plus der hundert Millionen Euro pro Saison anfangen? Bleibt Bayern-Star Michael Ballack im Land? Wird der Ball runder, die Nationalmannschaft wenigstens 2010 Weltmeister? Im internationalen Maßstab sind 420 Millionen Euro Einnahmen aus Fernseh- und Internetrechten keineswegs Weltspitze. Und der Umgang mit dem Riesenhaufen Geld auch nicht. Wie stets, wenn die Erlöse gestiegen sind, sind die Ausgaben noch stärker gestiegen. Die Bundesliga ist eine Zockerliga, da hilft kein Geld der Welt. Aber sie bietet – Fußball.

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