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Wandel in Europa: Wachstum ist nicht wählbar

Muss Europa sparen oder Wachstum schaffen? Der vermeintliche Gegensatz wird von Irrtümern und Lügen geschaffen. Die meisten haben mit dem Sparen noch nicht mal angefangen.

Sparen oder wachsen – auch hierzulande ziehen Politiker das Begriffspaar heran, um die Wahlergebnisse in Frankreich und Griechenland auszudeuten. Spätestens seit Sonntag haben die selbst ernannten Wachstumsschaffer Oberwasser, weil einer von ihnen zum Präsidenten der Grande Nation gewählt worden ist. Gut möglich, dass sich da das zentrale Thema des Bundestagswahlkampfes 2013 andeutet. Dabei geht es bei der Frage, ob Europas Regierungen sparen oder Wachstum schaffen sollen, um einen nur vermeintlichen Gegensatz, der erst von falschen Annahmen, Irrtümern und Lügen geschaffen wird.

Die naheliegende Antwort wäre, dass die Regierungen beides leisten müssen: weitersparen und Wachstum schaffen. Doch die Wahrheit ist, dass die meisten mit dem Sparen noch gar nicht angefangen haben. Die Schuldenbremse in Deutschland, der Fiskalpakt in Europa sind nicht eingelöste Versprechen. Wenn überhaupt, dann geht es nicht darum, weiterzusparen, sondern damit loszulegen. Selbst Deutschland, so mustergültig das Land dastehen mag, tilgt noch keine Schulden, sondern leiht sich nur weniger Geld als früher. Politik auf Pump bleibt aber auch das. Und auch die überschuldeten Euro-Staaten haben noch keinen Cent abbezahlt, sondern nur angefangen, Ausgaben und Defizite zurückzufahren – mit schon jetzt dramatischen Folgen.

Bilder von der Parlamentswahl in Griechenland

Wenn dieses Europa ein einigermaßen stabiles Gebilde sein (oder werden) soll, dann führt kein Weg an solideren Staatsfinanzen vorbei, und die Härten, die mit diesem Mentalitätswandel verbunden sind, liegen zum größten Teil noch vor uns, den Europäern. Da werden noch einige Regierungen abgewählt, bevor sich die Lage zum Besseren wenden kann. Vor allem aber werden noch viele Menschen Wohlstand einbüßen oder sogar in Not geraten. So viel Ehrlichkeit muss sein.

Und auch mit dem anderen Bestandteil des Begriffspaars, dem Wachstumschaffen nämlich, ist das so eine Sache. Unterstellt wird häufig, Regierungen könnten das, wenn sie nur wollten, und auch die Arbeitslosigkeit lasse sich staatlicherseits abbauen. Dabei gibt es kaum Beispiele für erfolgreiche Konjunkturpakete oder eine Beschäftigungspolitik, die Menschen tatsächlich in Arbeit bringt. Es stimmt, Deutschland ist einigermaßen gut durch die Finanzkrise gekommen, aber an der Abwrackprämie und neuen Straßendecken lag das kaum, sondern daran, dass die Lohnkosten im Vergleich zu anderen Ländern langsamer gestiegen sind, und am Kurzarbeitergeld, das Arbeitsplätze zeitweise absichert.

Bilder von der Präsidentschaftswahl in Frankreich

Natürlich kann der Staat jede Menge Arbeitsplätze schaffen, indem er Menschen einstellt, und das hilft auch der Binnennachfrage. Es ist allerdings ein teurer Weg, besonders wenn man sich dafür Geld leihen muss. Klüger ist es, wenn die Wirtschaft Arbeit schafft und der Staat das mittelbar unterstützt. Die Unternehmen und jeder einzelne Arbeitnehmer müssen wettbewerbsfähig sein. Unternehmen sind das, wenn sie Produkte und Dienstleistungen anbieten, die nachgefragt werden, und je besser, je aufwendiger diese Produkte und Dienstleistungen sind, umso teurer können sie verkauft werden. Wertschöpfung nennt sich das; ein Aluminiumblech herzustellen, ist gut, aber daraus Karosserieteile zu formen noch besser. Nebenbei: Vermögende mit zu hohen Steuern zu belegen, kann kontraproduktiv wirken, wenn die Wertschöpfung dann woanders stattfindet. Es muss gerechter zugehen in Europa, klar – aber der richtige Anspruch darf Unternehmen nicht verschrecken.

Und auch Arbeitnehmer müssen wettbewerbsfähig sein. Insofern kann es eine gute Nachricht sein, dass der neue französische Präsident 60.000 Lehrer einstellen will, denn Bildung dient genau diesem Ziel. Die grassierende Vorstellung aber, man müsse nur ein paar Milliarden in den Wirtschaftskreislauf geben, egal woher, egal wohin, und dann werde es flugs mehr Arbeitsplätze und Wachstum in Europa geben, von Frankreich bis Griechenland, diese Vorstellung ist im besten Fall total naiv.

Im schlechtesten Fall wissen die Hollandes dieser Welt genau, dass es anders ist, und betrügen ihre Anhänger. Es gibt Wege aus Europas Krise, aber einfach sind sie allesamt ganz sicher nicht.

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