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Meinung: War ein neues Berliner Winterdienstgesetz notwendig?

„Räumfirma will klagen / Branche kritisiert verschärftes Winterdienstgesetz“ vom 12. November Die neue Regelung zur Schneebeseitigung verwundert.

„Räumfirma will klagen / Branche kritisiert

verschärftes Winterdienstgesetz“

vom 12. November

Die neue Regelung zur Schneebeseitigung verwundert. Die bisherigen Gesetze haben völlig ausgereicht. Nur gab es beim letzten Schnee nicht geringen, sondern offenbar gar keinen Vollzug. Jedenfalls ist mir nicht bekannt, dass Polizei oder Ordnungsämter massenhaft hohe Bußgelder gegen untätige Räumdienste verhängt hätten. Das hätte sicher seine Wirkung nicht verfehlt. Ohne Vollzug sind Gesetze eben wertlos.

Merkwürdig ist die jetzt entstehende Hektik der Räumdienste. Nach altem Recht waren sie bei Verstößen Adressat der Bußgeldbescheide. Sie räumten nicht, sie kauften keine Maschinen und stellten keine Arbeitskräfte ein. Wäre auch rausgeworfenes Geld gewesen, da die Berliner Aufsichtsbehörden gegen Verstöße nicht einschritten. Das Land ersparte sich das Personal zur Kontrolle, obwohl dies durch Steuergelder bereits finanziert wird.

Nun sollen künftig die Hausbesitzer verantwortlich für das richtige Arbeiten der von ihnen bezahlten Räumdienste sein. Säumige Räumdienste brauchen sich keine Gedanken zu machen. Nur dem Hausbesitzer drohen hohe Strafen, falls er nicht anstelle des bereits bezahlten Räumdienstes selber sofort zur Schnee- und Eisbeseitigung schreitet. Die Behauptung, die Betroffenen könnten sich Geldstrafen und Kosten von den Räumdiensten zurückholen, sind unwahr. Denn die Geldstrafe bekommt derjenige, der den Verstoß begeht. In diesem Fall der nicht Schnee schippende Hausbesitzer. Der Räumdienst kann höchstens auf Rückzahlung der bezahlten Beträge verklagt werden. Die „arbeitslosen“ Gerichte werden sich freuen.

Prof. Dr.-Ing. Dieter Baumgarten,

Berlin-Buckow

Sehr geehrter Herr Professor Baumgarten,

wir sind beide gleicher Meinung: die Situation während des letzten Winters auf den Berliner Gehwegen war völlig inakzeptabel. Und wir sind auch der gleichen Meinung, dass sich dies nicht wiederholen darf, insbesondere nicht für ältere oder gar gehbehinderte Fußgängerinnen und Fußgänger. Daher war eine Änderung des Straßenreinigungsgesetzes aus meiner Sicht unerlässlich.

Sie schreiben, dass vor allem die fehlende Kontrolle für das Schnee- und Eischaos verantwortlich war. Tatsächlich wurde im letzten Winter durch die bezirklichen Ordnungsämter in mehr als 8000 Fällen ein Verstoß gegen die Winterdienstpflichten festgestellt. Über 5400 Mal wurden Bußgeldbescheide erlassen. Allein diese Zahlen zeigen, dass die Lage nicht einem Vollzugsproblem geschuldet war. Natürlich können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ordnungsämter nicht alle Gehwege gleichzeitig kontrollieren. Nach den Erfahrungen des letzten Winters werden die bezirklichen Ordnungsämter ihren Arbeitsschwerpunkt bei Schnee und Eis auf die Einhaltung der Regelungen zum Winterdienst legen und nicht vorrangig das Falschparken ahnden.

Für verantwortungsbewusste Eigentümerinnen und Eigentümer wird sich mit der Neufassung des Winterdienstgesetzes nichts ändern. Es reicht aus, rechtzeitig den Gehweg vor seinem Haus zu räumen oder zu streuen. Das Gleiche gilt für jene Anlieger, die eine zuverlässige Winterdienstfirma beauftragen.

Was ist also neu? In Berlin bestand bereits eine, wenn auch unverbindliche Kontrollpflicht für die Eigentümerinnen und Eigentümer. Auch bisher sollten sie ein Interesse haben zu überprüfen, ob ihr beauftragter Schneeräumdienst vertragsgemäß arbeitet. Für die Bezahlung einer Leistung kann und muss auch die Erfüllung dieser Leistung erwartet werden. In den meisten anderen Großstädten besteht diese Kontrollpflicht schon seit langem. Sollten die Eigentümerinnen und Eigentümer den Winterdienst nicht selbst durchführen und stattdessen eine zuverlässige Firma beauftragen, tritt nun in Berlin eine Kontrollpflicht hinzu.

Wenn es nicht die Eigentümerinnen und Eigentümer selbst sind, die dafür verantwortlich sind, ob sie ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen, wer soll es dann sein? Der Staat oder besser die Gemeinschaft der Steuerzahler? Nach meinem Verständnis sollen die Behörden, wie hier die Ordnungsämter, darauf achten, dass eine Gefährdung der Fußgängerinnen und Fußgänger möglichst ausgeschlossen wird. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sollten aber nicht dafür aufkommen müssen, dass die privatrechtlichen Verträge zwischen Hauseigentümern und Schneeräumunternehmen auch eingehalten werden.

Gerade weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ordnungsämter nicht auf allen Gehwegen gleichzeitig sein können, sind mit der Neufassung des Gesetzes alle Anlieger aufgerufen, selbst zu schauen, dass niemand durch Schnee und Eis gefährdet ist. Und diesem Ziel fühlen wir uns beide, sehr geehrter Herr Prof. Baumgarten, offenbar verpflichtet.

Mit freundlichen Grüßen

— Katrin Lompscher (Linkspartei), Senatorin

für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz

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