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Meinung: Warum ist die Kontoumstellung auf Sepa so schwierig?

„Wirtschaft droht Kontenumstellung zu verschlafen“ vom 31. Dezember Mit einer deftigen Prise Dramatik werden die schleppenden Vorbereitungen zur Einführung des Sepa-Zahlungsverkehrs aufseiten der Unternehmen und Verbände beschrieben: „.

„Wirtschaft droht Kontenumstellung zu verschlafen“ vom 31. Dezember

Mit einer deftigen Prise Dramatik werden die schleppenden Vorbereitungen zur Einführung des Sepa-Zahlungsverkehrs aufseiten der Unternehmen und Verbände beschrieben: „... es gibt keinen ,Plan B‘ und ... Experten warnen vor Zahlungsschwierigkeiten ...“. Dazu fallen mir spontan zwei Dinge ein. Wenn der Bankenverband ernste Gefahren sieht, dann soll er sich Gedanken machen und einen Plan B entwerfen. Und wenn die Warnungen von ähnlichen (oder denselben?) Experten kommen, die uns 1999 das Datenchaos bei dem Überschreiten der Datumsschwelle ins neue Jahrtausend prophezeit haben, dann sehe ich das alles sehr gelassen. Ach ja, und wenn die EU-Kommission davon spricht, dass die Umstellung auf Sepa 125 Milliarden Euro einspart, dann frage ich mich, wer von diesen Einsparungen profitiert. Dass diese Milliarden irgendwie beim berühmten „kleinen Mann“ ankommen, das bezweifele ich. Der wird für seinen Dispo weiterhin satte zehn Prozent Zinsen berappen müssen.

Dipl.-Ing. Peter John, Berlin-Staaken

Die schleppenden Vorbereitungen der Einführung des Sepa-Zahlungsverkehrs in Deutschland sind in der Tat besorgniserregend: im November 2013 waren es erst 32 Prozent aller Überweisungen (Oktober 10 Prozent). Bei der Sepa-Lastschrift ist die Lage noch trostloser: Im November betrug ihr Anteil lediglich 10 Prozent (Oktober 3 Prozent). Angesichts der verbliebenen wenigen Tage bis zur Deadline ist nicht damit zu rechnen, dass bis dahin alle Altverfahren auf die neuen Formate umgestellt sind. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Sepa ist, wenn man ehrlich ist, keine Überraschung, sondern die seit langem geplante dritte Stufe der Euro-Einführung. Da die schon seit einigen Jahren existierenden Verfahren der Sepa-Überweisung (2008) und Sepa-Lastschrift (2009) kaum genutzt wurden, setzte eine EU-Verordnung im Jahre 2012 den 1. Februar als Endtermin für die Altverfahren fest. Damit ist die Nutzung der Sepa-Verfahren ab diesem Zeitpunkt verbindlich und alle Banken per Gesetz daran gebunden. Die Frage nach einem „Plan B“ stellte sich deshalb also nicht – zumindest nicht bis zum Donnerstag dieser Woche. Da hat die EU-Kommission wie aus dem Nichts entschieden, die tolerierte Umstellungsfrist bis zum 1.8. zu verlängern. Der formelle Stichtag bleibt zwar der 1.2., aber Banken und Zahlungsdienstleister können nun sechs weitere Monate Zahlungen in den alten Formaten annehmen. Als Grund für ihre äußerst kurzfristige und zum jetzigen Zeitpunkt unerwartete Entscheidung gibt die Kommission – wohl aus Angst vor einem tatsächlichen volkswirtschaftlichen Risiko – den mangelnden Umsetzungsstand an. Es ist wohl nicht daran zu zweifeln, dass die noch notwendigen Gremien diese Auffassung nicht mittragen und somit die europäische Wirtschaft in Turbulenzen versetzen würden, gerade auch kurz vor der Europawahl.

Trotz der zum Glück erfolgten Verlängerung stellt sich die Frage: Warum wurde Sepa in großem Maße ignoriert? Auch die Deutsche Bundesbank hatte gebetsmühlenartig vor den schweren Folgen einer verspäteten Umstellung, die im schlimmsten Falle sogar zur Illiquidität führen können, gewarnt. Angesichts dieser Tragweite wäre sicherlich eine groß angelegte Werbekampagne wie bei der Einführung fünfstelliger Postleitzahlen oder der Euro-Einführung mehr als sinnvoll gewesen. Doch die Medienresonanz und die öffentliche Bewerbung waren kaum wahrnehmbar, was wohl auch mit zu der nachhaltigen Unterschätzung von Sepa geführt hat.

Für Privatpersonen oder Unternehmen, die hauptsächlich Überweisungen tätigen, ist die Umstellung überschaubar. Es gibt jedoch genügend Unternehmen und Vereine, die viele Lastschriften ziehen und denen die Zeit davonläuft bzw. schon davongelaufen ist. Schließlich ist bei Sepa unter anderem ein völlig neues Datenformat erforderlich, auf das viele IT-Systeme umgerüstet werden müssen, damit die Lastschriften ab Februar technisch überhaupt bei den Banken eingereicht werden können und ausführbar sind. Wird bereits Online-Banking oder eine Banking-Software genutzt, dann sollten jedoch auch diese Probleme überschaubar sein.

Steht aber dann die Infrastruktur und ist die komplexe, kostenintensive Umstellung geschafft, bietet Sepa langfristig durchaus auch Vorteile. Wir und die anderen 32 Sepa-Länder besitzen dann eine einheitliche, moderne Zahlungsverkehrsinfrastruktur, die Kosteneinsparungen im europäischen Wirtschaftsraum ermöglichen wird.

Welcher bzw. ob ein Anteil der von der EU-Kommission angesprochenen 125 Mrd. Euro, die durch die Sepa-Einführung eingespart werden sollen, beim Privatmann ankommt, ist ebenso fraglich wie die insgesamt schon sehr minimalistisch anmutenden prognostizierten zehn Milliarden Euro für die Umstellung an sich. Die Umstellung kostet somit zunächst einmal viel Geld, gerade auch die Banken. Man kann daher davon ausgehen, dass diese ihre Gebühren anheben werden und somit wieder alle – auch der „kleine Mann“ – betroffen sind.

— Dr. Ernst Stahl, Research Director, ibi research an der Universität Regensburg GmbH

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