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Meinung: Warum ist es wichtig, dass Kinder schwimmen lernen?

Unsere Leserin Gabriele Winkler sagt, immer weniger Kinder können schwimmen.Olympiasiegerin Britta Steffen meint: Schwimmen ist eine Gesundheitssportart – und auf die richtige Technik kommt es an.

„Drama im Müggelsee: 19-Jähriger ging plötzlich unter / 200 Meter vom Ufer ertrank der Köpenicker vor den Augen seiner Freunde / Polizei suchte bis zum Abend mit Hubschrauber und Tauchern – vergeblich“ vom 23. Juli und „In den Ferien zum Seepferdchen / 2000 Kinder lernen im Sommer in Kursen der Bäderbetriebe schwimmen“ vom 13. Juli

So löblich es auch ist, dass 2000 Berliner Kinder in den Kursen der Bäderbetriebe schwimmen lernen: Im Endeffekt sind die nun angebotenen Kurse nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In meiner Kindheit – ich bin jetzt Ende dreißig – lag die Quote der Schwimmer in meiner Grundschulklasse bei etwa 90 oder sogar 95 Prozent. Fakt ist, dass heute nicht einmal mehr die Hälfte der Kinder schwimmen kann – und es werden immer weniger. Diese Entwicklung hält nun schon seit einigen Jahren an, die Gefahr von Badeunfällen steigt, wenn Kinder nicht schwimmen können.

Die Frage ist, warum die Entwicklung ist, wie sie ist. Die Schulen schaffen es leider immer weniger, alle Kinder zu Schwimmern zu machen. Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen: geschlossene Lehrschwimmbecken, viel zu große Klassen, zu wenig gut ausgebildete Schwimmlehrer und so weiter. Im Rahmen des Sportunterrichts gibt es zwar auch einige Stunden Schwimmunterricht, aber wenn die Schule kein Geld hat, gibt es eben keinen Schwimmunterricht. Und auf Nachfrage an der Schule bekommt man dann als Begründung vielleicht noch zu hören, die Schulen hätten vorrangig einen Bildungsauftrag zu erfüllen. Ich finde, da muss man ansetzen. Schwimmunterricht an Schulen sollte wieder eine Selbstverständlichkeit werden.

Gabriele Winkler, Berlin-Schöneberg

Sehr geehrte Frau Winkler,

das traumhafte Sommerwetter hat die Berliner zu Tausenden an die Badeseen und in die Schwimmbäder gelockt. Und gleichermaßen steigt die Zahl der Ertrinkenden. In diesem Zusammenhang las ich, dass jedes dritte Kind nicht mehr schwimmen kann. Mal ganz abgesehen davon, dass es lebensgefährlich ist, wenn man nicht schwimmen kann, bringt man die Kinder um eine wunderbare Bewegungserfahrung. Die Koordinationsfähigkeit bei Kindern lässt immer mehr zu wünschen übrig. So können viele Kinder nicht mehr auf einem Bein hüpfen. Schwimmen schult den kompletten Bewegungsapparat und durch die kombinierten Arm- und Beinbewegungen vor allem die Koordination.

Kinder sind Wasserratten, wenn man sie nur vorsichtig und früh genug an das Wasser heranführt. Wie stolz war ich, als ich schwimmen konnte. Wenn man dann noch verschiedene Schwimmarten beherrscht, ist man der Star im Freibad – das gibt Selbstvertrauen.

Das Unterrichtsfach Schulsport ist eins der Stiefkinder in unserem Bildungssystem, und Schulschwimmen klingt schon fast exotisch. Dabei ist Bewegung die wichtigste Voraussetzung, dass Kinder anschließend wieder aufmerksam dem Unterricht folgen können. Es geht immer um die Einheit von Körper und Geist.

Bei allen Reisen fällt mir auf, dass in anderen Ländern niemals das Brustschwimmen als erste Schwimmart gelehrt wird. Ausgerechnet mit der technisch anspruchsvollste Schwimmart zu beginnen, ist ein deutsches Phänomen und längst nicht mehr zeitgemäß. Die Kraulbewegung lässt sich viel leichter erlernen, schützt eher vorm Ertrinken, weil sie weniger Kraft erfordert, und tut dem Rücken gut. Das Seepferdchen allein ist leider noch nicht die Garantie dafür, dass Kinder auch wirklich schwimmen können. Es passiert nicht selten, dass Kinder im Verein angemeldet werden mit der Information, dass sie das Seepferdchen erworben haben. Dann gehen sie ins Schwimmbecken und können sich knapp über Wasser halten. Erfahrene Trainer wissen das und weichen den Neuankömmlingen nicht von der Seite. Darum wurde es Zeit für eine Qualitätsgarantie.

Der deutsche Schwimmverband hat unter dem Begriff „Swimstars“ eine Initiative gestartet, damit die Kinder wieder schwimmen lernen und vor allem, damit sie es richtig lernen. Wenn man es technisch richtig gelernt hat, verlernt man es genauso wenig wie Fahrradfahren und kann diese Gesundheits-Sportart bis ins hohe Alter betreiben. Schwimmen erfordert keine teure Ausrüstung. Man benötigt einen Badeanzug oder eine Badehose, einen See oder ein Schwimmbad vor der Tür und los geht’s.

Oft habe ich während des Trainings beobachtet, wie Hobbyschwimmer teilweise bei jeder Bahn den Eindruck machten, als würden sie ums Überleben kämpfen. Schwimmen ist Schwerelosigkeit, Leichtigkeit, manchmal im wahrsten Sinne des Wortes ein Schwebezustand. Das Wasser trägt dich, wenn du nur die Technik richtig beherrschst. Fast alle Erwachsenen berichten von unangenehmen Erinnerungen beim Schwimmunterricht. Den eigenen Kindern sollte man diese Erfahrungen möglichst ersparen. Mit Angst und Druck ist Schwerelosigkeit nur schwer zu erlernen. Es geht auch anders.

Mit freundlichen Grüßen

— Britta Steffen, Schwimm-Olympiasiegerin .

Informationen zum Schwimmenlernen finden Sie unter www.swimstars.de, Berliner Schwimmvereine unter www.berliner-schwimm-verband.de. Auch die Berliner Bäderbetriebe bieten Schwimmkurse an (www.berlinerbaederbetriebe.de).

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