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Was heißt hier pragmatisch?: Merkel stoppt Frauenquote: Ein schwaches Stück

Eine lebensnahe Haltung zur Steigerung weiblicher Macht ist bei der Bundeskanzlerin nicht zu erkennen. Vielleicht, weil Angela Merkel findet: Eine an der Spitze, das reicht.

Manchmal stellt sich das leise Unbehagen ein, dass die Bundeskanzlerin Politik in einer Weise neu definiert, die einfach nicht zu fassen ist. Ihr Regierungssprecher durfte verkünden, dass es nun doch nichts wird mit der gesetzlichen Frauenquote in der Wirtschaft. Auch wer nicht zu denen gehört, die mehr weibliche Spitzenjobs in Dax-Vorständen als den letzten Schrei der Emanzipation begreifen, muss nach dieser lapidaren Mitteilung sagen: Das ist schon ein schwaches Stück. Europe will die Quote, Ursula von der Leyen will sie, sogar Frauenministerin Kristina Schröder will sie ein bisschen. Und alle Journalistinnen dieser Republik wollen sie schon deswegen, weil es in der „Spiegel“-Redaktion mehr schwule Ressortleiter gibt als weibliche. So stand es jedenfalls in diesem bekannten Magazin aus Hamburg. Dort wurde dem Vernehmen nach in dieser Woche heftig darüber diskutiert, ob der „Spiegel“ selbst eine Quote braucht.

Die „Spiegel“-Chefredakteure sind jetzt wahrscheinlich von Neid angekränkelt. Denn sie müssen ihrer Redaktion so etwas wie einen Plan für mehr Ressortleiterinnen vorlegen. Merkel kann das Thema einfach kassieren, weil sie sich keinen Streit anhören will, schon gar nicht vor der Wahl in Baden-Württemberg. Die Wirtschaft ist dagegen, die FDP auch. Das ist sehr nützlich, weil man sie vorschieben kann, um den Konflikt zwischen zwei CDU-Ministerinnen und in der eigenen Partei gar nicht erst hochkommen zu lassen.

Die Wirtschaft, die zehn Jahre Zeit für freiwillige Regelungen hatte, soll also „eine zweite Chance“ bekommen. Tja, die hätte manche alleinerziehende Mutter für einige Tage auch gern, wenn ihr Kind Windpocken hat. Das schwächste Stück des ganzen Vorgangs ist indes seine polit-philosophische Verbrämung. Merkel suche einen „pragmatischen Weg, der aber das Ziel nicht aus den Augen verliert“. Es trifft zu, dass Merkel nie ihr Ziel aus den Augen verliert, internen Ärger zu vermeiden. Eine lebensnahe Haltung zur Steigerung weiblicher Macht ist hier nicht zu erkennen. Kann sein, dass die Kanzlerin findet: Eine an der Spitze, das reicht.

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