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Meinung: Was ist der Preis für artgerechte und gesunde Tierhaltung?

„Gefährliche Hühner“ vom 10. Januar Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner will „den Einsatz von Antibiotika auf das zur Behandlung von Tierkrankheiten absolut notwendige Maß beschränken“.

„Gefährliche Hühner“ vom 10. Januar

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner will „den Einsatz von Antibiotika auf das zur Behandlung von Tierkrankheiten absolut notwendige Maß beschränken“. Das hört sich schon mal gut an. Ich bin aber sicher, Frau Aigner weiß ganz genau, dass Hähnchen in der Massentierhaltung die sechs Wochen kurze Lebensspanne ohne diversen Einsatz von Medikamenten inklusive Antibiotika kaum bzw. nur zu einem geringen Anteil lebend überstehen würden. Diese grausame Tier-„produktion“ hat zwangsläufig kranke Hähnchen zur Folge. Das Gleiche gilt natürlich für alle Massentierhaltungen inklusive Aquakulturen ebenso. So wird krankes Fleisch von kranken Tieren „produziert“, weil der Verbraucher es so will bzw. nicht bereit ist, einen adäquaten Preis für anständig gehaltene Tiere zu bezahlen. Aber das Geld, das man im Laufe seines Lebens am Essen spart, trägt man im Alter in die Apotheke, mitunter auch schon früher. Und die vielbeschworene Tierliebe der Deutschen endet, wie üblich, an den Mauern der Mastanlagen. Und die christliche Gesinnung? Wohl ebenso!

Christine Teich-Paßkönig, Berlin-Spandau

Sehr geehrte Frau Teich-Paßkönig,

zu Recht haben Sie Bedenken bei der Aussage der Verbraucherschutzministerin Aigner. Wie Sie richtig bemerken, ist das bereits heute der Fall: Kein Tierhalter setzt Antibiotika aus Jux und Tollerei ein - ohne diese Medikamente würden die Tiere die wenigen Tage bis zur „Schlachtreife“ schlichtweg nicht überleben. Oder anders gesagt: Die dringend gebotene deutliche Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes ist nur durch eine andere Art und Weise der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu schaffen. Und dabei ist angesichts der zunehmenden Antibiotikaresistenzen in der Humanmedizin Eile geboten, auch wenn die resistenten Erreger im Stall und im Krankenhaus bisher noch nicht „verwandt“ sind. Schließlich haben Bakterien und Viren ihre schnelle Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit gerade in den letzten Jahren mehrmals unter Beweis gestellt.

Großer Widerstand ist von den bisherigen Profiteuren der Tierquälerei zu erwarten. So werden Tiermäster, Fleischverarbeiter und auch der Deutsche Bauernverband in der aktuellen Diskussion nicht müde, auf das seit Jahren geltende Verbot des Einsatzes von Antibiotika als Futterzusatz und Masthilfsmittel zu verweisen. Sie ignorieren dabei die gängige Praxis, im Falle der sicher auftretenden Krankheit eines Tieres „sicherheitshalber“ den gesamten Bestand „zu behandeln“. Vom Futterzusatzstoff zum prophylaktisch eingesetzten Medikament – die von den Pharmakonzernen verkauften Antibiotikamengen zeigen, dass sich im Prinzip nichts geändert hat und dass die meisten Tierhalter nicht willens sind, ihre Haltungsbedingungen so zu gestalten, dass Antibiotika nur bei einem erkrankten Einzeltier zum Einsatz kommen.

Dass so etwas möglich ist, zeigt die ökologische Tierhaltung. Das Grundprinzip hier: Die Tiere müssen so untergebracht, gefüttert und gepflegt werden, dass Erkrankungen nur im Ausnahmefall auftreten. Um dieser Vorgabe Gewicht zu verleihen, verlieren Tiere, die innerhalb eines Jahres das zweite Mal mit einem Antibiotikum behandelt werden müssen, ihren Öko-Status und müssen in der Regel den Bestand verlassen. Der Öko-Landwirt hat also ein großes Interesse, seine Tierbestände gesund zu erhalten und ohne Antibiotikabehandlungen auszukommen.

Und an dieser Stelle, werte Frau Teich-Paßkönig, legen Sie den Finger in die Wunde und nennen Ross und Reiter. Denn die meisten Landwirte würden ihr Einkommen sicher gern mit weniger Tieren in größeren Ställen mit Auslauf und ohne systematischen Antibiotikaeinsatz erzielen – allein der Markt „verlangt“ nach immer billigerem Fleisch. Der Preiskampf an der Fleischtheke der Discounter ist seit Jahren im Gange und treibt jeden einigermaßen tiergerecht produzierenden Landwirt in den sicheren Ruin. Und so gesellen sich zu den negativen Auswirkungen einer inzwischen industriell aufgestellten Intensivtierhaltung für Umwelt, Tier und Mensch nun auch noch exorbitante Kosten für das Gesundheitswesen. Selbst die sehr unverdächtige Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt den Deutschen die schnellstmögliche Halbierung des Fleischkonsums. Mir persönlich ist das nicht genug. Wir brauchen aus Umwelt-, Tiergerechtigkeits- und gesundheitlichen Gründen eine wesentlich deutlichere Reduzierung beim Fleischverzehr. Wenn wir dabei die ökologische Tierhaltung als Mindeststandard annehmen, so hat ein Tier dort wesentlich mehr Fläche zur Verfügung, wird mit ökologisch produziertem, gentechnikfreiem Futter versorgt und in viel kleineren Tierzahlen pro Stall gehalten. Deshalb ist Ökofleisch doppelt bis fünfmal teurer als konventionell erzeugtes. Aber weniger Fleisch auf unseren Tellern ist auch ein Beitrag gegen den Hunger auf der Erde: Bereits heute nutzen wir in Ländern des Südens über 35 Millionen Hektar Land, um unsere Tiere hier mit Futter zu versorgen. Dabei wird das Land eigentlich für die Versorgung der oft hungernden Bevölkerung vor Ort benötigt.

— Dr. Frank Augsten, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender,

Umwelt- und agrarpolitischer Sprecher

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