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Meinung: Was kann ich für ein würdiges Sterben tun?

„Ich will sterben dürfen“ vom 11. September Ich bin 66 Jahre alt, zurzeit gesund, fit, unternehmungslustig und habe viel Freude an allem, was ich täglich machen kann.

„Ich will sterben dürfen“ vom 11. September

Ich bin 66 Jahre alt, zurzeit gesund, fit, unternehmungslustig und habe viel Freude an allem, was ich täglich machen kann. Trotzdem geht mir häufig durch den Kopf, mein Leben nicht zu dem Zeitpunkt beenden zu können, den ich für richtig halte.

Auch ich habe Verwandte und Freunde sterben sehen, deren durch Medikamente verlängerte Ablebenszeit als unwürdig zu bezeichnen ist – und die dadurch entstandenen Kosten in keinem Verhältnis zum Beispiel zum Verweigern von bestimmten Medikamenten für manch anderen stehen. Ich will so etwas nicht!

Nur, welche Hilfe steht einem zur Verfügung?

Ute Illner, Berlin-Mariendorf

Ich stimme dem Artikel von Herrn Ahrends inhaltlich voll zu. Sterben zu dürfen – aus eigenem Willen – muss ohne Umwege in die Schweiz möglich sein. Medizinisch möglich ist sicher viel, aber ob es der Einzelne auch will, ist die Frage.

Ich hoffe, dass ich (57-jährig) die Möglichkeit haben werde über mein Lebensende selbst zu entscheiden. Auch ich möchte meinen Kindern einen lange leidenden Vater ersparen.

Bernd Jaeke, Berlin

Sehr geehrte Frau Illner, sehr geehrter Herr Jaeke!

Kaum jemand möchte gegen seinen Willen mit sterbensverlängernden Maßnahmen an einem subjektiv als unwürdig empfundenen Rest-Leben erhalten werden, auch wenn der medizinische Fortschritt dies theoretisch ermöglicht. Aber immer mehr Menschen sterben nicht einen plötzlichen sanften Herztod, sondern landen in Alters- oder Pflegeheimen. Vor allem die künstliche Ernährung durch sog. PEG-Sonden (durch die Magendecke) wird viel zu oft bei hochaltrigen, pflegebedürftigen Menschen eingesetzt, wenn der Körper schon längst zum Abschiednehmen bereit ist. Aber kaum einer hat dagegen Vorsorge getroffen.

Es ist Ihr gutes Recht, solche Maßnahmen abzulehnen. Kein Arzt und kein Pflegeheim darf diese anwenden, wenn keine medizinische Indikation auf Heilung mehr gegeben ist. Aber welche Hilfen stehen Ihnen zur Verfügung, wenn Sie selbst nicht mehr in der Lage sind, Ihren Willen zu äußern und ihn auch durchzusetzen?

Eine eindeutig formulierte Patientenverfügung, die auf die aktuelle Situation zutrifft, gibt Ihnen und Ihrer Familie, aber auch dem Arzt und den Pflegenden Rechtssicherheit. Mit dem 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetz, dem sogenannten „Patientenverfügungsgesetz“ (Paragraph 1901a Bürgerliches Gesetzbuch), das am 1. Sept.2009 in Kraft trat, wurde die Verbindlichkeit einer Patientenverfügung erstmals im Zivilrecht der Bundesrepublik Deutschland verankert. Eine Forderung der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) seit den frühen achtziger Jahren. Zudem hat ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes zur Sterbehilfe vom 25. Juni 2010 bestätigt, dass der Abbruch medizinischer Maßnahmen nicht bestraft wird, wenn dies dem Patientenwillen entspricht.

Der Essay von Martin Ahrends nannte die Möglichkeit der organisierten Freitod-Begleitung.

In der Schweiz können die über 70 000 Mitglieder beider EXIT-Gesellschaften Hilfe für ein selbstbestimmtes Sterben erhalten, sofern sie in der Schweiz wohnhaft sind. Ausländer finden diese Hilfe bei zwei weiteren Schweizer Sterbehilfegesellschaften. Jeder Freitodhilfe gehen immer intensive Beratungsgespräche und das genaue Studium des medizinischen Dossiers voraus. Das in der Schweiz seit 1984 verwendete Natrium-Pentobarbital (NaP), dessen Wirkungsweise wissenschaftlich untersucht und bestätigt wurde, ist aber auch dort nur auf ärztliches Rezept erhältlich. Der Arzt, der dieses Rezept ausstellt, muss zuvor mit dem Sterbewilligen ein eingehendes Gespräch geführt haben. Die Entscheidung über seine Beihilfe ist laut Schweizer Berufsordnung seit 1996 seinem ärztlichen Gewissen anheim gestellt.

Wer jedoch in Deutschland sein Leiden als unerträglich und würdelos empfindet, muss seinen Freitod selbstständig und eigenverantwortlich umsetzen – sofern er dazu noch in der Lage ist. Auf die Hilfe eines Arztes kann er dabei kaum zählen. Die Bundesärztekammer will in ihrer Musterberufsordnung eine Assistenz beim Suizid sogar verbieten. Das ist umso empörender, als strafrechtlich die Beihilfe zum Suizid in Deutschland möglich ist (sofern der Helfer von der sog. Garantenpflicht ausdrücklich schriftlich entbunden wurde), da der Suizid selbst nicht vom Strafgesetz geahndet wird.

Die DGHS erfährt immer wieder von misslungenen Selbsttötungsversuchen mit grausamen, ungeeigneten Mitteln, die oft in Selbstzerstümmelung und totaler Abhängigkeit enden, zudem für die unfreiwilligen Zeugen mit oft lebenslangen Traumata verbunden sind. Daher appellieren wir an Ärzte, Politik und Medien, sich dieser Problematik wertneutral zu stellen.

Ihnen alles Gute und weiterhin viel Lebensfreude.

— Elke Baezner ist Präsidentin der Deutschen

Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) e.V.

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