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Meinung: Was sind schon drei Prozent?

Politik ohne Zukunft: Die EU-Finanzminister werden den Stabilitätspakt aufweichen

Eines muss man den europäischen Finanzministern lassen: Ein besserer Zeitpunkt für eine Reform des Euro-Stabilitätspaktes hätte sich kaum finden lassen. Bei einem Eurokurs von 1,31 Dollar lässt es sich leichter argumentieren als bei einem Kurs von, sagen wir, 82 Cent. So bombenfest, wie die Euro-Währung zurzeit erscheint – wer würde annehmen, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder mit der Drei-Prozent-sind-drei- Prozent-plus-X-Strategie den Euro weich machen kann?

Wäre der Außenwert des Euro da, wo er im Jahr 2000 seine Reise nach unten stoppte (bei 82 US-Cent nämlich), hätten diejenigen unter den Finanzministern, die eine laxere Defizitpolitik verlangen, einen viel schwereren Stand. Sie müssten sich mit den Kernargumenten für eine starke und stabile Währung auseinander setzen: Und das sind – neben einer starken und unabhängigen Notenbank – nach wie vor ein gesundes Wirtschaftswachstum, eine geringe Staatsverschuldung und ausgeglichene Handelsbeziehungen mit dem Ausland.

Ein Glück, dass sich die Finanzminister diesen Unannehmlichkeiten diesmal nicht stellen müssen. Im Windschatten des Dollarverfalls hat es sich die Reformfraktion unter den Finanzministern gemütlich eingerichtet. Natürlich, nein, will man den Stabilitätspakt nicht neu formulieren, wo kämen wir dahin? Drei Prozent sind drei Prozent. So ist es, und so soll es bleiben. Aber anders bewerten soll man die Drei-Prozent-Marke, verlangt der Bundeskanzler.

Summen müssen anders betrachtet werden, mit denen er doch das Wachstum fördern will, oder die als Nettobeiträge in die EU-Kasse fließen. Die Italiener wollen die Beträge anders gerechnet sehen, mit denen sie Straßen bauen, und die Griechen hätten gern die Milliarden abgezogen, mit denen sie Panzer und Militärflugzeuge kaufen.

Tatsache ist, dass der Stabilitätspakt in den kommenden vier Monaten – so lange dauert die luxemburgische Präsidentschaft der Europäischen Union – inoffiziell und nachhaltig beerdigt wird. Das ist schlimm, denn der Vertrag von Maastricht hat in den vergangenen Jahren wenigstens gelegentlich dafür gesorgt, dass die meisten Euro-Mitgliedsländer sich zu einer ansatzweise seriösen Haushaltspolitik bekehrt haben. Und: Bisher ist nicht zu erkennen, warum die Wirtschaftspolitiker nach einer Reform des Paktes erfolgreicher, die Finanzpolitiker vorausschauender und die Sozialpolitiker bescheidener werden sollten. Das aber müsste es doch wenigstens sein, wenn das Versprechen auf eine erfolgreichere Zukunft mit einem toleranteren Pakt ernst gemeint sein sollte.

Doch jetzt gibt es Wichtigeres zu verhandeln. Macht und Einfluss, europäische Geldströme und Kompetenzen. Die Europäische Kommission, bisher unnachgiebige Rächerin aller Defizitvergehen, versichert freundlich, dass es eine Menge an der deutschen Position gibt, was in Ordnung sei – die Kommission hofft, von einer Reform des Verfahrens zu profitieren. Sie hätte gern das Recht, die Finanzpolitik der Eurosünder zu sanktionieren – ohne vorher den Ministerrat fragen zu müssen.

Auch die kleinen Mitgliedsländer, bisher harsche Kritiker der deutschen und französischen Reformerweicher, sind still geworden. Denn sie wissen, dass Deutschland seine künftigen Zahlungen an die Europäische Union vom Entgegenkommen in Stabilitätsfragen abhängig machen will. Im Klartext: Bestehen die Kleinen auf Vertragstreue, drehen die Großen nach der EU-Finanzreform ab 2007 den Geldhahn zu.

Vergessen bei dieser Debatte um Geld und Schulden wird das große Versprechen, mit dem sie alle angetreten sind, die Staats- und Regierungschefs, die Finanzminister und die EU-Kommissare: Europa zukunftsfest zu machen, dem Euro eine eigene und innere Stabilität zu geben, den Kindern und Enkelkindern der heutigen Politikergeneration ein ordentliches Haus Europa zu übergeben. Davon sind sie weiter entfernt denn je. Die Zukunft der Kinder ist nicht mehr das Ziel der Stabilitätspakt-Neuverhandler. Sie ist längst ein Teil des Deals geworden.

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