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Meinung: Was Wissen schafft: Kleine Fehler unter Freunden

Das berühmteste Vorbild aller Fälscher in der Forschung kam in untadeligem Gewand daher: der Österreicher Gregor Mendel, Augustinermönch und Begründer der modernen Genetik. Aus unzähligen Kreuzungsexperimenten mit verschiedenfarbigen Erbsen leitete er 1865 die nach ihm benannten Grundgesetze der Vererbung ab, die bis heute Gültigkeit haben.

Das berühmteste Vorbild aller Fälscher in der Forschung kam in untadeligem Gewand daher: der Österreicher Gregor Mendel, Augustinermönch und Begründer der modernen Genetik. Aus unzähligen Kreuzungsexperimenten mit verschiedenfarbigen Erbsen leitete er 1865 die nach ihm benannten Grundgesetze der Vererbung ab, die bis heute Gültigkeit haben. Die spätere Überprüfung der von Mendel publizierten Daten war jedoch schockierend: Die Zahlen sind so genau, dass sie gefälscht sein müssen - offenbar hatte der Mönch nach fast zehn Jahren das Erbsenzählen satt und warf die Erbsen, die nicht in seine Theorie passten, kurzerhand auf den klösterlichen Komposthaufen.

Derzeit beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft Freiburg mit einem Betrugsskandal, bei dem sich die Täter ebenfalls hinter einer ehrbaren Fassade verbergen: In der Klinik von Roland Mertelsmann, einem der Stars unter den deutschen Krebsforschern, wurden Forschungsergebnisse jahrelang gefälscht oder frei erfunden. Seit 1997 waren Manipulationen in Arbeiten von Mertelsmanns ehemaligen Mitarbeitern Friedhelm Herrmann und Marion Brach entdeckt worden: Von 347 überprüften Publikationen waren mindestens 94 fehlerhaft, geschönt oder dreist gefälscht. Entdeckt werden konnten nur besonders offensichtliche Manipulationen an Abbildungen oder Tabellen, da sich die Autoren größtenteils weigerten, die Originaldaten herauszugeben oder mit der Untersuchungskommission zu kooperieren. Weitere 121 Arbeiten wurden deshalb in eine "Grauzone" möglicher, aber nicht bewiesener Fälschungen eingestuft.

Herrmann und Brach, mittlerweile zu Ordinarien aufgestiegen, mussten ihre Universitätslaufbahnen beenden - Direktor Mertelsmann jedoch ist bis heute im Amt. 170 Veröffentlichungen, ein Drittel seiner Arbeiten, hat er gemeinsam mit Herrmann geschrieben. Davon gehören 59 zu den 94 bisher als sicher oder "höchstwahrscheinlich" gefälscht eingestuften Arbeiten. Mertelsmann zieht bisher jedoch keine Konsequenzen, Herrmann trage die alleinige Verantwortung für die Fälschungen; er selbst sei auf den Publikationen nur "ehrenhalber" als Autor genannt worden. Aber sein Verteidigungswall bröckelt: Die Universität Freiburg erkannte kürzlich zwei weiteren Mertelsmann-Mitarbeitern wegen nachgewiesener Manipulationen die Habilitationen ab. Darüber hinaus wurden jetzt in Arbeiten aus Mertelsmanns Kerngebiet, an denen Herrmann und Brach nicht beteiligt waren, fehlerhafte Daten entdeckt: Um gefährliche Nebenwirkungen der umstrittenen "Hochdosis-Chemotherapie" auf die Blutbildung zu verharmlosen, hatten die Autoren Daten weggelassen und Grafiken verändert.

Strenge Regeln für den Umgang mit Forschungsergebnissen sind unerlässlich, um die Grauzone zwischen experimenteller Intuition, wie der von Mendel, und unseriöser Datenmanipulation zu beseitigen. Bisher gibt es kaum rechtliche Mittel gegen Datenfälscher, meistens lässt sich kein wirtschaftlicher Schaden nachweisen. Die deutsche Forschergemeinde hat gegen den mächtigen Kollegen Mertelsmann bisher keine Sanktionen verhängt, obwohl seine indirekte Verantwortung unbestritten und ein erheblicher Teil seiner Publikationsliste nichtig ist. In Südafrika wurde vor kurzem ein Wissenschaftler, der manipulierte Daten zur Hochdosis-Chemotherapie veröffentlicht hatte, fristlos gefeuert.

Alexander S. Kekulé

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