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Was WISSEN schafft: Mittel gegen eine Menschheitsgeißel

Später Durchbruch bei der Therapie der Hepatitis-C

Die dritte Hepatitis war schon immer wie verhext. Bis in die 1970er Jahre unterschieden die Ärzte zwei Arten von Virusinfektionen der Leber, die sie „A“ und „B“ nannten: Hepatitis-A, die typische Reisehepatitis, wird über verseuchte Nahrungsmittel und Schmierinfektionen verbreitet. Mit der gefährlicheren Hepatitis-B steckt man sich dagegen durch Blut oder Sex an. Beide Viren waren gut erforscht, es gab Blutteste und Therapieempfehlungen.

Doch dann tauchten Fälle von Hepatitis auf, die weder A noch B waren und mit keinem Test diagnostiziert werden konnten. Erst ein gutes Jahrzehnt später, im April 1989, gab eine US-Firma die Entdeckung des dazugehörigen Erregers bekannt, der seitdem „Hepatitis-C-Virus“ (HCV) genannt wird. Wie sich nebenbei herausstellte, hatte eine Handvoll Wissenschaftler ihre Ergebnisse viele Jahre lang geheim gehalten, um mit einem derweil entwickelten Bluttest viel Geld zu verdienen (was ihnen auch gelang).

Mit Hilfe des Tests können die Ärzte die Hepatitis-C nun zwar diagnostizieren und auch sechs Varianten (Genotypen) des HCV unterscheiden. Um gezielt Medikamente zu entwickeln, müsste das neue Virus jedoch im Labor gezüchtet werden – und das will einfach nicht gelingen. So behilft man sich bis heute mit einer Kombinationstherapie aus Interferon, das die Immunabwehr stimuliert, und dem Uralt-Wirkstoff Ribavirin, der alle möglichen Viren eher schlecht als recht bremsen kann. Die Behandlung dauert bis zu 72 Wochen, erfordert wöchentliche Injektionen und hat Nebenwirkungen wie Erkältungsgefühle, Depressionen und Blutarmut. Trotzdem wird nur die Hälfte aller Patienten geheilt, beim besonders gefährlichen HCV-Typ 1 sind es nur 30 bis 40 Prozent.

Nach jahrzehntelanger Stagnation kommt die Therapie der Hepatitis-C nun endlich einen entscheidenden Schritt voran. Vergangenen Freitag erhielt in den USA ein Medikament (Boceprevir von Merck) die Zulassung, das auf einem neuartigen Wirkmechanismus basiert: Es bindet gezielt an ein Enzym des HCV (die NS3-Protease), welches das Virus für die Vermehrung in der Leberzelle benötigt. Der NS3-Protease-Inhibitor wird zusammen mit den beiden bisherigen Medikamenten verabreicht und steigert die Heilungsrate beim HCV-Genotyp 1 auf 60 bis 75 Prozent. Zusätzlich kann die Behandlungsdauer oft auf 24 Wochen verkürzt werden.

Für die Bekämpfung des Hepatitis-C-Virus, mit dem in Deutschland etwa 300 000 und weltweit 170 Millionen Menschen chronisch infiziert sind, dürfte damit der lang ersehnte Durchbruch gelingen. Ein weiterer NS3-Proteasehemmer (Telaprevir des US-Herstellers Vertex) wird in Kürze ebenfalls zugelassen. Virologen hoffen, dass die Hepatitis-C in naher Zukunft durch eine Kombination verschiedener Wirkstoffe heilbar sein wird, wobei auf die unangenehmen Interferonspritzen ganz verzichtet werden könnte.

Deutsche Virologen beobachten den Erfolg der US-Forschung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. In den 1980er und 1990er Jahren gehörten deutsche Arbeitsgruppen zur Weltspitze der Hepatitisforschung. Das erste Verfahren zur Vermehrung des HCV im Labor, das eine gezielte Wirkstoffforschung erst ermöglichte, wurde 1999 in Mainz entwickelt. Kurz darauf machte Boehringer Ingelheim die weltweit ersten klinischen Tests mit einem HCV- Proteaseinhibitor. Doch um dem verhexten Virus beizukommen, war noch viel mehr Aufwand nötig: Die HCV-Protease hat eine besonders profilarme Struktur, an der die bislang bekannten Hemmstoffe nicht anhaften. Zum Erfolg führten schließlich Neukonstruktionen von Hemmstoffmolekülen am Computer, die sich mit künstlichen Ankern (kovalenten Bindungen) an der Protease festhalten. Diese „Leitsubstanzen“ wurden dann schrittweise verkleinert und optimiert, bis schließlich oral verabreichbare Medikamente entstanden. Bei diesem gigantischen Forschungsaufwand wurden die Deutschen glatt abgehängt.

Leider sieht es in anderen Bereichen der Pharmaforschung für Deutschland ähnlich mau aus. Die Mittel gegen verhexte Viren und andere Menschheitsgeißeln werden derzeit anderswo erfunden.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle. Foto: J. Peyer

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