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Was WISSEN schafft: Stechende Urlaubsplagen

Das Denguefieber wird immer gefährlicher. Vor einem Überträger muss man sich jedoch nicht fürchten.

Jede Mücke hat ihre ganz besondere, individuelle Esskultur. Culex pipiens, unsere „ge-      meine Stechmücke“, wird am späten Abend und nachts vom Heißhunger befallen. Das Weibchen landet auf entblößter Haut und wartet dann einige Sekunden, um sicherzugehen, dass es nicht bemerkt wurde. Mit ihren zarten Beinchen ertastet sie den Puls eines haarfeinen Blutgefäßes, bohrt dann vorsichtig ihren Stechrüssel hinein und fängt genüsslich an zu saugen – der perfekte Moment, um den Quälgeist totzuschlagen.

Wenn sich dagegen in den Tropen eine besonders kleine Mücke unverfroren am helllichten Tage zum Mahl begibt, handelt es sich wahrscheinlich um Aedes aegypti, die Überträgerin von Dengue und Gelbfieber. Die schwarz-weiß gemusterten Weibchen sind so nervös, dass sie schon bei der leisesten Gefahr ihre Blutmahlzeit unterbrechen, um nach wenigen Sekunden erneut zuzustechen. Aedes aegypti ist kaum zu erwischen – und hat sich auch sonst perfekt an den Menschen angepasst: Während ihre Vorfahren in Baumlöchern brüteten, bevorzugt die moderne Denguemücke abgestandenes Wasser in Blumentöpfen, alten Autoreifen und leeren Coladosen für die Eiablage. Sie lebt nicht im Grünen, wie etwa die Malariamücke Anopheles, sondern hat sich in verwahrlosten Großstadtvierteln der Tropen und Subtropen eingerichtet. Aedes aegypti kann nur einige hundert Meter fliegen, sie brütet in unmittelbarer Nähe ihrer Nahrungsquelle. Da die Menschenjägerin ihre Mahlzeiten häufig unterbrechen muss, sticht sie bis zu zwanzig Opfer nacheinander bevor sie satt ist.

Ihre Philanthropie und kulinarische Promiskuität machen Aedes aegypti zum perfekten Vehikel für das Dengue-Virus. Weil sich das Insekt aus Ägypten über den Luft- und Seeverkehr weltweit verbreitet hat, ist Dengue gerade dabei, die Malaria als wichtigste Tropenkrankheit zu überholen. Ein Drittel der Erdbevölkerung ist vom Dengue-Virus bedroht, rund 100 Millionen Menschen werden jedes Jahr infiziert.

Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, an Dengue zu sterben, bislang äußerst gering; die Zahl der jährlichen Todesfälle wird auf 20 000 geschätzt. Bis vor wenigen Jahrzehnten war Dengue deshalb eine unangenehme, aber – im Vergleich zu Malaria oder Gelbfieber – harmlose Form des Tropenfiebers. Kopfschmerzen, hohes Fieber und die für das „Knochenbrecherfieber“ typischen Gelenkschmerzen verschwinden in der Regel nach wenigen Tagen. Weil man danach scheinbar immun war, galt Dengue unter Tropenärzten als typischer Willkommensgruß für Neuankömmlinge.

Seit den 80er Jahren hat sich das Krankheitsbild jedoch dramatisch verändert. Mit der globalen Verbreitung und explosionsartigen Vermehrung von Aedes aegypti wurden asiatische Varianten des Dengue-Virus nach Amerika verschleppt und umgekehrt. Heute kommen die vier Typen des Erregers auf allen Kontinenten außer der Antarktis vor. Dadurch kommt es immer häufiger zu einem mysteriösen Phänomen: Wer bereits gegen ein Dengue-Virus immun ist und sich mit einem anderen Virustyp infiziert, kann ein „Dengue-hämorrhagisches Fieber“ (DHF) entwickeln. Besonders gefährdet sind Säuglinge, die mütterliche Antikörper gegen Denguevirus im Blut haben. Das DHF verläuft ähnlich wie Ebola oder schweres Gelbfieber und endet ohne Behandlung in fünf bis 15 Prozent tödlich.

Für neue Aufregung sorgt die Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) in Südeuropa, die ebenfalls das Denguevirus übertragen kann. Allerdings lebt die Tigermücke auf dem Land und ist weniger an den Menschen angepasst. Dengue wird deshalb auch in Zeiten des Klimawandels eine Tropenkrankheit bleiben.

Immerhin hat die Tigermücke bewirkt, dass sich auch reiche Staaten vor Dengue fürchten und die Impfstoffentwicklung vorantreiben. Das ist bei Dengue besonders riskant, weil eine Impfung die Entstehung eines DHF begünstigen könnte, wenn sie nicht zuverlässig gegen alle vier Virustypen schützt. Sanofi Pasteur testet derzeit einen viel versprechenden Vakzinekandidaten. Bis Ende des Jahres soll feststehen, ob der Impfstoff funktioniert und sicher ist. Die Markteinführung ist für 2014 geplant.

Aus der Welt ist das Problem jedoch noch lange nicht: In den tropischen Wäldern lauern hunderte weitere Typen des Denguevirus. Sie können jederzeit zur Menschenplage werden, wenn eine als Vehikel geeignete Mücke auf den richtigen Geschmack kommt.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle. Foto: J. Peyer

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