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Alexander S. Kekulé ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.

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Was WISSEN schafft: Trümmer aus dem All

Es gibt schätzungsweise 1000 Killer-Asteroiden, deren Einschlag die Menschheit wahrscheinlich auslöschen würde. Die Vorhersage muss dringend verbessert werden.

Lenin nahm die Beinahe-Katastrophe gelassen. Sein Blick blieb unbeirrt gen Osten gerichtet, als am 15. Februar hinter seinem Rücken ein 11 000 Tonnen schwerer Gesteinsbrocken vorbeiraste. Kurz darauf explodierte der Asteroid mit einem gewaltigen Knall in der oberen Atmosphäre. Die Trümmer verfehlten die russische Millionenstadt Tscheljabinsk um 70 Kilometer. Das Stadtzentrum mit der achtzehn Meter hohen Bronzestatue des Revolutionsführers blieb unversehrt.

Vergangene Woche debattierte der US-Kongress, ob sich die Menschheit vor herabfallenden Himmelskörpern schützen oder das Geld lieber für näherliegende Probleme ausgeben soll. Neben den bekannten acht Planeten kreisen einige Millionen kleinere Gesteinsbrocken um die Sonne. Die meisten von ihnen sind weit entfernt von der Erde, im „Asteroidengürtel“ zwischen Mars und Jupiter. Daneben gibt es jedoch zwei Arten von Himmelskörpern, die als „near earth objects“ (NEOs) der Erde gefährlich werden können. Asteroiden vom Apollo-Typ kreisen weit draußen im Sonnensystem, im sonnennahen Teil ihrer elliptischen Umlaufbahn kommen sie dann für kurze Zeit der Erde nahe. Asteroiden vom Aten-Typ bewegen sich dagegen zwischen Erde und Sonne, wobei es im äußeren Teil ihrer Umlaufbahn zur Kollision mit der Erde kommen kann. Aten-NEOs gelten als besonders unberechenbar, weil sie – ähnlich wie die sonnennahen Planeten Venus und Merkur – meist dicht am Horizont stehen und schwer zu entdecken sind.

Es gibt schätzungsweise 1000 NEOs mit über einem Kilometer Durchmesser, deren Einschlag die Menschheit wahrscheinlich auslöschen würde. Rund 950 wurden bislang identifiziert, keines davon kreuzt die Erdbahn. Bis zum Jahr 2020 wollte die Nasa eigentlich die vermuteten restlichen 50 apokalyptischen Geschosse ausmachen und zusätzlich 90 Prozent der NEOs ab 140 Meter Durchmesser finden, deren Gesamtzahl auf 10 000 geschätzt wird. Ein Einschlag dieser sogenannten „Country-Killer“ könnte immerhin einen Staat von der Größe Deutschlands zerstören. Doch der Nasa-Direktor Charles Bolden musste vor dem Kongress einräumen: Mit dem derzeitigen Mini-Budget von 25 Millionen Dollar jährlich ist der Zeitplan unmöglich einzuhalten. International sieht es nicht besser aus. Die europäische Raumfahrtagentur Esa gibt fünf Millionen Euro für ihr NEO-Projekt aus, bei einem Gesamtetat von 4,3 Milliarden Euro.

Die Jagd nach Killer-Asteroiden wird spärlich finanziert, weil sie als extrem selten gelten – Asteroiden über einem Kilometer schlagen nur alle 100 000 Jahre ein – und für ihre Ablenkung bisher keine erprobten Gegenmaßnahmen existieren.

Dabei zeigt gerade das Tscheljabinsk-Ereignis, wie gefährlich auch kleinere Asteroiden sein können, mit denen alle 30 bis 50 Jahre zu rechnen ist. Ein solcher „City-Killer“ mit 50 Meter Durchmesser und der Sprengkraft von etwa 50 Hiroshima-Bomben könnte zwar derzeit nicht rechtzeitig abgelenkt werden. Doch würde eine Vorwarnzeit von wenigen Tagen genügen, um zumindest die Einschlagsregion zu evakuieren. Technisch ist dies möglich: Im Jahr 2008 wurde sogar ein nur vier Meter kleiner Asteroid 20 Stunden vor dem Einschlag im Sudan entdeckt.

Eine private Initiative ist nun entschlossen, auf eigene Faust die Welt zu retten. Die „B612 Foundation“ will einen Satelliten in eine Sonnenumlaufbahn schicken, der mit einer Infrarotkamera auch solche NEOs entdeckt, die von der Erde aus nicht zu sehen sind. Es ist zu hoffen, dass sich die Industriestaaten an dem Projekt beteiligen.

Auch beim Asteroiden von Tscheljabinsk bekamen die staatlichen Wissenschaftler Unterstützung von ungewöhnlicher Seite. Einem Blogger aus Stockholm war aufgefallen, dass auf Webkameras ein Schatten zu sehen war, den das Lenin-Denkmal durch den vorbeifliegenden Meteor warf. Mit vier davor stehenden Laternenmasten und etwas Schulgeometrie ließ sich die Bahn des Asteroiden bestimmen. Dank Lenins Hilfe wurde er dem „Apollo-Typ“ zugeordnet. Nun suchen Astronomen auf alten Himmelsfotos nach dem Objekt, um die Methode der Vorhersage zu verfeinern.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.

Alexander Kekulé

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