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Meinung: Was Wissen schafft: Wie Wünsche wahr werden

Nicht alle Paare in guter Hoffnung hoffen das Gleiche. Die einen wünschen sich unbedingt einen Jungen, andere ein Mädchen.

Nicht alle Paare in guter Hoffnung hoffen das Gleiche. Die einen wünschen sich unbedingt einen Jungen, andere ein Mädchen. Manche stellen sich vor, dass ihr Nachwuchs besonders intelligent, sportlich oder auch musikalisch sein soll. Es gibt aber auch Eltern, denen ist dies alles ziemlich egal: Hauptsache, das Kind kommt mit den richtigen Gewebemerkmalen zur Welt, etwa "HLA-A2/A26/B44/B35" - als Organspender für ein krankes Geschwister.

Just am vergangenen Valentinstag wurde einem englischen Ehepaar solch spezielles Familienglück zuteil. Unter der tatkräftigen Mithilfe des Reproduktionsmediziners Mohamed Taranissi kam ein Mädchen zur Welt, dessen Gewebemerkmale - die so genannten HLA-Antigene - exakt mit seinem leukämiekranken Bruder übereinstimmen. Falls das bösartige Knochenmark des Fünfjährigen entfernt werden muss, könnten die Blutzellen der Schwester die letzte Rettung sein, weil sie vom Immunsystem nicht abgestoßen werden.

Der geschäftstüchtige Mediziner Taranissi kämpft seit Monaten um die Zulassung eines Labors für "Designerbabys": Organspender-taugliche Geschwister als Lebensretter für schwer kranke Kinder. Für deren Herstellung sollen zunächst durch In-vitro-Fertilisation (IVF) erzeugte, drei Tage alte Embryos einem Gen-Check unterzogen werden. Diese - in Deutschland verbotene - "Präimplantationsdiagnostik" ist in Großbritannien für die Erkennung genetischer Krankheiten erlaubt. Der nächste Schritt, die "Präselektion", stößt jedoch auch im Inselreich auf mehrheitliche Ablehnung: Unter einer größeren Zahl angezüchteter Embryos müssen diejenigen ausgewählt werden, die genetisch gesund sind und die passenden HLA-Merkmale besitzen - der weit überwiegende Rest landet in Tiefkühltruhen oder Abfalleimern.

Den Vorwurf, Menschen als "lebende Ersatzteillager" zu züchten, weist Taranissi mit einem scheinbar schlagenden Argument zurück: Für die Heilung von Blutkrebs und anderen Krankheiten würden nur die Stammzellen aus der Nabelschnur benötigt.Tatsächlich ist ein ähnliches Experiment schon einmal gelungen. Vor zwei Jahren verhalfen Wissenschaftler von der Universität von Minnesota einem an Fanconi-Anämie - einer tödlichen Blutbildungsstörung - erkrankten Mädchen zu einem Bruder mit identischen HLA-Merkmalen. Durch Übertragung von dessen Nabelschnurblut wurde die damals sechsjährige Molly Nash geheilt.

Mit der extrem seltenen Fanconi-Anämie ist jedoch kein Geld zu verdienen. Nicht umsonst hat das "Valentins-Baby" ein Geschwisterchen mit Leukämie - eine wesentlich häufigere - und lukrativere - Kinderkrankheit. Bei Leukämien sind die Heilungschancen allerdings deutlich geringer, da das eigene, bösartige Knochenmark durch Bestrahlung und Chemotherapie vollständig zerstört werden muss. Wenn dann die geringe Menge Nabelschnurblut das Knochenmark nicht schnell genug regenerieren kann, bleibt nur ein Ausweg: Das Geschwisterchen muss doch als Ersatzteillager herhalten und sein Knochenmark spenden.

Bisher wartet Taranissi vergebens auf die Genehmigung für seinen Organspender-Bestellservice - das "erste europäische Designerbaby" wurde in den USA befruchtet, präselektiert und eingepflanzt. Dort erschließen sich seine Kollegen bereits einen weit größeren Markt: Paare können sich per IVF aussuchen, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen wollen. So muss niemand mehr neun Monate umsonst hoffen.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg.

Alexander S. Kekulé

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