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Meinung: Weder Dank noch Demokratie

Im Libanon erleiden die Neokonservativen ihre nächste Niederlage

Von Jacob Heilbrunn Im Laufe der Jahrhunderte sind politische Bewegungen in ganz unterschiedlicher Weise von der Bildfläche verschwunden. Einige gingen unter im Feuersturm des eigenen Ruhms, andere läpperten einfach aus. Letzteres ist das Schicksal, das jener politischen Bewegung beschienen ist, die in den USA als Neokonservativismus bekannt wurde. Mit dem militärischen Desaster der Israelis im Libanon hat sie eine weitere Niederlage einstecken müssen.

Die „Neocons“ im Umfeld von Vizepräsident Dick Cheney rühmten sich immer damit, politische Realisten zu sein, die der Ausbreitung der Demokratie verpflichtet sind. Sie dachten, sie könnten mit amerikanischer Militärmacht die Demokratie durchsetzen, ohne sich dem Ärger der jeweiligen Bevölkerungen auszusetzen. Die Welt, so die Erwartung der Neocons, würde dieses Projekt entweder dankbar begrüßen, oder sich der eindrucksvollen Vorstellung des amerikanischen Militärs beugen. Doch der Irakkrieg zieht sich in die Länge und es passiert weder das eine noch das andere.

Amerika ist in einen Krieg hineingezogen worden, den es nicht gewinnen kann, und sein Militär hat sich kaum als eindrucksvoll erwiesen. Wenn es so weitergeht, wird Amerika noch zu jenem „bedauernswerten Giganten“, wie es Henry Kissinger in den frühen 70er Jahren befürchtete, als die USA im Vietnamkrieg versanken. Nun erleidet Israel dasselbe Schicksal – als Folge, unter anderem, der Illusionen der Neokonservativen. Die Bush-Regierung dachte, dass Israel die Hisbollah ausschalten könnte, dass der Libanon vom Terrorismus befreit würde, der syrische Einfluss zurückgedrängt würde, Iran eine Lektion erteilt werden könnte, und so weiter.

Leider hat sich das weder im Libanon noch im Irak bewahrheitet. Statt Hisbollah zu besiegen wurde sie gestärkt. Statt die Radikalen zum Verstummen zu bringen hat der Krieg die arabische Welt weiter radikalisiert. Das Erstaunliche ist, dass die ausgesprochen realistischen Israelis, die Bushs Irakabenteuer skeptisch gegenüberstanden, diesen Wunschtraum mitgeträumt haben. Ehud Olmerts maßloses Gerede über die Gefahr des libanesischen Terrors kam direkt aus dem Notizbuch der Neocons. Das war, kaum überraschend, der direkte Weg in die Katastrophe. Israel wird sich davon natürlich erholen. Anders als in den USA wird es in Israel eine Untersuchung der Fehler der Regierung geben. Vermutlich wird Olmert am Ende zurücktreten müssen.

Aber auch wenn die Lust der amerikanischen Öffentlichkeit am Regimestürzen nachgelassen hat, es wäre zu früh, eine Autopsie des Neokonservativismus durchführen zu wollen. Denn in Wahrheit basierte der gar nicht auf der Realität – er kann deshalb aus Sicht seiner Anhänger auch durch politische Niederlagen nicht widerlegt werden. Ihr Argument: Die USA haben sich noch nicht genug eingesetzt – und sollten das in der Zukunft stärker tun. Die Neocons scharren bereits mit den Hufen, was einen Krieg gegen Iran angeht. O-Ton Stanley Kurtz im konservativen „National Review“: „Was, wenn eine Atomrakete auf die USA abgeschossen wird, mitten aus einem mit Nuklearwaffen bestückten Nahen Osten, zum Beispiel während eines Krieges, in dem die Raketen zwischen Saudi-Arabien und Iran nur so hin- und herfliegen? Wüssten wir dann, wer uns angegriffen hat“

Die rhetorische Technik ist bekannt: vage Bedrohungsszenarien, um die Öffentlichkeit in Angst zu versetzen, auf der Grundlage von – wenn überhaupt – sehr wenig. Aber solche wilden Spekulationen beeindrucken die Amerikaner nach dem Irakkrieg nicht mehr.

Es ist inzwischen offenbar geworden, dass das Hauptproblem darin liegt, dass die meisten Neokonservativen, wie William Kristol vom „Weekly Standard“, sehr wenig vom Nahen Osten verstehen. Denen ging es beim Irakkrieg gar nicht um den Irak – sondern um eine Demonstration amerikanischer Macht, Werte und Ideale. Wie für viele Linke, die sich in den 30ern für das republikanische Spanien einsetzten, ist der Irakkrieg für sie etwas Abstraktes. Aber die Konsequenzen aus den beiden Kriegen sind nicht abstrakt. Israel und die USA tragen nun ihre eigenen Nessusgewänder im Libanon und Irak. Während beide Länder versuchen, sich aus ihnen zu befreien, kann man den Neokonservativismus zum jüngsten Opfer von zwei Kriegen zählen, die er selbst vorangetrieben hat.

Der Der Autor ist freier Publizist und lebt in Washington. Er schreibt derzeit ein Buch über die Neocons.

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