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Meinung: Weg mit weg mit

Was gegen den Abriss des Palastes der Republik spricht – und gegen ein Schloss

Wollen wir eine künstliche Stadt? Wollen wir keine Orte mehr, die diese Stadt, verwundet, geschunden, wieder auferstanden aus Ruinen, mit ausmachen? Doch. Denn anders verliert Berlin sein Gesicht.

Ja, der Palast der Republik kann abgerissen werden, technisch. Aber nein, Vergangenheit lässt sich nicht einfach abreißen, sonst kommt man nie mit ihr klar. Und einmal ist der Palast schon abgerissen worden. Als Schloss.

Geschichtsvergessen sind nicht die, sind nicht nur die, die kein Stadtschloss haben wollen, so wie es auf alten Stichen über Biedermeiersofas zu sehen ist. Geschichte vergisst auch, wer an dieser Stelle so tun will, als hätte es die DDR nie gegeben. Mag sein, dass sie ein historischer Irrtum war – aber sie war! Der Palast der Republik ist. Und er sollte weiter da sein: als Erinnerung oder Mahnung, je nachdem. Für die, die da sind und noch kommen. Die Menschen in der versunkenen, der verschütteten DDR haben viel dafür gezahlt, in jeder Hinsicht. Man muss den Palast nicht mögen, man muss ihn nur aushalten.

Und erhalten. Wegen der Zukunft: Die junge Kulturszene, vor allem die Kunstszene, das, was Berlin international attraktiv macht, auch HAU und Sophiensäle, haben den Palast als reizvollen, weil vielfältig nutzbaren Raum erkannt. Das verklärt Geschichte nicht, ist nicht Nostalgie, das hat, wenn überhaupt, eher mit Ruinen-Romantik zu tun und damit, dass der Ort im Rohbau so unbesetzt wirkt. Und eine Form von unbehauster Mitte, dieser rostige Ort, gehört zu Berlin. Nicht schön, sondern besonders.

Mehr noch: Nicht nur die Museumsinsel, die durch das Humboldt-Forum mit außereuropäischen Kulturen sinnvoll ergänzt würde, liegt in unmittelbarer Nachbarschaft, sondern eben auch das Viertel mit Galerien und junger Szene. Außerdem könnte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz den Palast gut für Ausstellungen nutzen. Die jetzigen Räume sind größer und attraktiver als das, was in der Schlosskubatur entstehen könnte. Was immer im Palast stattgefunden hat, es hat unglaubliches Interesse auf sich gezogen. Die Menschen stehen Schlange, ob für chinesische Tonkrieger, Konzerte oder Verbandstagungen.

Und wer sagt, dass das Schloss das Projekt auch der jüngeren Generation ist, ein Nachbau aus dem 19. fürs 21. Jahrhundert? Wenn er in zehn Jahren entstünde, ist dann die Zeit nicht endgültig darüber hinweggegangen? Aber auch der Blick über Berlin hinaus lehrt etwas. Das Schloss hat nicht eine Ausstrahlung wie die Frauenkirche, in keiner Weise deren Symbolgehalt. Und in dieser Hinsicht ist Berlin gewiss nicht Dresden und nicht Stuttgart: Angesichts der hohen Summe, die für ein Schloss aufzubringen wäre, ist mit einer allgemeinen Spendenbereitschaft nicht zu rechnen. Eher mit dem Gegenteil. Es verstärkte sich in Restdeutschland, in Westdeutschland eher der Eindruck, dass in Berlin für vieles Geld vorhanden ist, nur für das richtige nicht. Der Bundesrat lässt grüßen.

Wenn der Abriss (irgendwann) sein muss – dann für moderne Architektur anstelle der alten Kubatur. Aber jetzt ist sowieso der schlechteste Zeitpunkt. Das Gebäude ließe sich zur Fußball-WM ganz wunderbar nutzen. Eine Baugrube blockiert den attraktivsten Platz zu den falschen Zeiten.

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