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Wehrpflicht: Schwarz-Gelb gegen Oliv

Eine Verkürzung der Wehrpflicht wäre falsch: Die Bundeswehr muss endlich eine Berufsarmee werden.

Deutschland – Land der Praktika. Jetzt soll womöglich noch eines dazu kommen: das beim Militär. Nichts anderes wäre die von der künftigen schwarz-gelben Koalition diskutierte Verkürzung der Wehrpflicht von neun auf sechs Monate ab 2011. Mit dem feinen Unterschied: Es bliebe ein Pflichtpraktikum. Die jungen Männer, die gezogen werden, haben für ein halbes Jahr ihres Lebens ein sehr eingeschränktes Recht auf Selbstbestimmung. Für diejenigen, die sich für den Zivildienst entscheiden, gilt dies – abgeschwächt – genauso.

Von einem Kompromiss sprechen die Fraktionsunterhändler. In der Tat. Und ein ziemlich fauler. Spätestens als Angela Merkel im Wahlkampf ein Bekenntnis zur Wehrpflicht abgab, war klar, dass sich die FDP mit ihrer Forderung nach einer Aussetzung nicht durchsetzen würde. Eine Debatte fand nicht statt. Mit dieser schwarz-gelben Regelung für Oliv ist niemandem gedient. Nicht der Bundeswehr, nicht der Gesellschaft.

Ein Streitpunkt der Vergangenheit war die Wehrgerechtigkeit. 2008 wurden 15 Prozent der Gemusterten 456 000 Männer zwischen 18 und 23 Jahren gezogen. Das Ministerium hält diese Quote für gerechtfertigt, verweist auf verschärfte Tauglichkeitskriterien. FDP und Union sahen dies anders, denn sie verteidigen ihre Pläne: Ein Drittel mehr Wehrpflichtige könnten so einberufen werden.

Aber: Auch ein bisschen gerechter bleibt noch immer ungerecht. Und die Sinnfrage stellt sich erst recht. Können junge Männer der Truppe dienlich sein, die drei Monate Grundausbildung und zwei Monate Spezialausbildung absolvieren und einen letzten Monat in einer Einheit verbringen? Militärisch knapp: Nein. Was braucht die Bundeswehr wirklich? Durch die Transformation zur Einsatzarmee – knapp 7500 Frauen und Männer hat das Parlament in internationale Missionen geschickt – bedarf es gut ausgebildeten Personals. Jobs für bewaffnete Hilfsarbeiter gibt es bei der Truppe im Ausland nicht.

An den Hindukusch dürfen sowieso nur diejenigen Wehrpflichtigen geschickt werden, die freiwillig länger im Fleckentarn bleiben – Zeitsoldaten also eigentlich. Minister und Generäle behaupten, die Wehrpflicht sei unerlässlich, weil sich daraus ein großer Teil der Berufs- und Zeitsoldaten rekrutiere. Richtig. Aber das darf heute nicht mehr als Argument dafür dienen, relativ wahllos eine Gruppe junger Männer für ein halbes Jahr aus ihrem Leben zu nehmen.

Es wird Zeit, dass die Bundeswehr auf dem freien Markt ihren Nachwuchs suchen kann und darf. Der kommt nur, wenn der Job attraktiv und gut bezahlt ist. Beides ist zurzeit nicht der Fall. Die Konsequenz: Die Politik muss bereit sein, dafür mehr Geld auszugeben – und die Truppe eine weitere Transformation leisten, hin zur Berufsarmee. Die würde, wie Erfahrungen anderer Länder zeigen, nicht ohne Probleme sein. Aber eine Berufsarmee mit einem Haufen Söldner gleichzustellen, ist unredlich. Das wäre auch eine Frage der Auswahl und Ausbildung. Eine Berufsarmee wiederum sollte dann Praktika anbieten – unbedingt.

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