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Weihnachtsshopping in Berlin

© dpa

Weihnachtsgeschäft: Shoppen für ein besseres Leben

Verkaufsoffener Sonntag, freier Montag - die Tage liegen günstig, um die Läden mit Weihnachtseinkäufen leerzuräumen. Wir haben uns angewöhnt, dies zwar unter wirtschaftlichen Aspekten okay zu finden, unter moralischen aber ganz furchtbar.

Die Tage liegen gut in diesem Jahr. Der vierte Advent zum Luftholen, dann der freie Montag, genau richtig, um die Läden leerzuräumen, bis das Weihnachtsgeld weg ist und der Dispo am Anschlag …

Ja, und? Wir haben uns angewöhnt, dies zwar unter wirtschaftlichen Aspekten okay zu finden, unter moralischen aber ganz furchtbar. Im Internet ist eine exemplarische Verdammung des Weihnachtsgeschäfts rasch gefunden: Da schimpft einer in einem viel genutzten Forum über den „umweltzerstörenden, klimagefährdenden und ressourcenvernichtenden monetärfaschistischen wachstumsgesetzbeschleunigten Überflusswegwerfwachstumswahn.“

Dieses Schreckbild, das seine Karriere einst als „Konsumterror“ begann, trägt heute einen etwas komplexeren Namen, weil es mit verschiedenen populären Zukunftsängsten bis zum Bersten aufgeladen ist, und es wird prinzipiell von ganz links bis weit in die CDU hinein akzeptiert. Dass der wortgewaltige Autor sich im gleichen Text dazu bekennt, gern und bewusst von Hartz IV zu leben, zeigt allerdings schon die eingebaute Schizophrenie. Irgendwo, so besagt das grundsätzlichste aller ökonomischen Gesetze, muss das Geld ja herkommen; es gilt selbst in Nordkorea.

Willkommen in Absurdistan

Es hat sich dennoch eingebürgert, das Wachstum und unser Streben danach als das Böse schlechthin zu betrachten. Weg mit dem Wachstumswahn! Doch wer sich gedanklich darauf wirklich einlässt, der landet in Absurdistan. Sicher: Möglicherweise ließe sich sogar gut leben in dieser Manufactum-Welt ohne Zinsknechtschaft und Investmentbanker, in der noch das kleinste Knöpfchen nachhaltig aus dem vollen Messingblock gedreht wird und die Bargäste trunken sind von fair gehandelter Bionade.

Das kann man wollen. Aber wie kommen wir hin? Wollen wir einen Siemens-Chef, der einen Milliarden-Auftrag ablehnt mit dem Argument, er sei für Negativ-Wachstum und wolle das Auftragsvolumen um jährlich fünf Prozent abschmelzen? Und können wir uns eine Sozialindustrie vorstellen, die sofort klaglos im Gleichtakt abspeckt? „Alle wollen den Gürtel enger schnallen“, hat Otto Graf Lambsdorff gesagt, „aber alle fummeln am Gürtel des Nachbarn herum“. Wachstum im üblichen Sinn lässt sich statistisch erfassen. Wer morgen noch schnell einen Fernseher kauft, der trägt dazu bei. Aber wie messen wir seine Tat mit den neuen, „weichen“ Fortschrittsindikatoren? Fortan verbraucht er weniger Strom (Klima, gut), sieht noch mehr Prekariats-TV (falsches Bewusstsein, ganz schlecht), hat zum Abbau rarer Mineralien in armen Ländern beigetragen (schlecht) und ein wenig gegen die Armut in Asien getan (gut, aber doch schlecht, weil: Sie kennen ja die Arbeitsbedingungen da drüben). So. Und auf diesem wackligen Fundament wollen wir nun in Zukunft unsere Lebensqualität messen?

Wissen Sie was? Kaufen Sie den Fernseher. Und viel Spaß damit!

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