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Weiterbildung: Schöne Ferien!

Im Sprachkurs büffeln statt am Strand zu braten? Weiterbilden im Urlaub steigert den Marktwert. Die Forderung ist trotzdem daneben.

Natürlich hat Martin Wansleben recht. Es spricht überhaupt nichts dagegen, dass sich Arbeitnehmer in ihrer Freizeit fortbilden oder im Urlaub einen Sprachkurs machen, statt am Strand zu braten. Niemand will schließlich blöd sterben. Das sei vorweg gesagt – auf die Gefahr hin, neoliberaler Gesinnung geziehen zu werden.

Trotzdem ist das, was der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) gerade ins Sommerloch gepustet hat, kaum mehr als ein Versuch der Ablenkung (und der Profilierung). Das eigentliche Problem ist der Fachkräftemangel, der in den nächsten Jahren offenbar dramatisch zunimmt. So viel ist schon jetzt klar: Die Unternehmen werden es sich nicht mehr leisten können, auf gut ausgebildete Kräfte zu verzichten. Heute ist für viele Frauen die Karriere zu Ende, wenn das erste Kind kommt. Die Rückkehr in den Job ist schwierig, von Beförderung ist keine Rede mehr, trotz bester Zeugnisse und guter Leistungen. Ähnlich ist es mit den Älteren, die in manchen Unternehmen allenfalls geduldet werden.

Das ist bald vorbei, hoffentlich, endlich. Wenn sich Bevölkerung und Wirtschaft so entwickeln, wie allgemein vorhergesagt, wird der Wettbewerb um die besten Arbeitnehmer zunehmen. Die deutschen Unternehmen wollen schließlich mit anspruchsvollen Technologien, nicht mit Massenware global bestehen. Nun fände es Martin Wansleben hübsch, wenn sich möglichst viele Menschen aus eigenem Antrieb qualifizierten, auch im Urlaub – aber das dürfte die Herausforderung für die von ihm vertretenen Unternehmen allenfalls ein wenig mildern.

Und billiger wird es bestimmt nicht. Denn der Arbeitnehmer kann schließlich für seine besondere Qualifikation auch ein höheres Gehalt fordern. Wer in seiner Freizeit und im Urlaub Chinesisch lernt, dürfte seinen Aufwand am Ende doppelt und dreifach vergütet bekommen. Bildung hat eine Rendite für jeden Einzelnen, was ja auch die wichtigste Begründung für Studiengebühren ist.

Insofern ist nicht nur Martin Wansleben neben der Spur, sondern auch die Gewerkschafter. Die alten Reflexe funktionieren, und sie sind ermüdend. Die Wirtschaft fordert etwas von den Arbeitnehmern, und die Gewerkschaft ruft prompt nach Tarifverträgen. Dabei wissen beide Seiten eigentlich allzu gut, dass die Forderung allenfalls Unterhaltungswert hat – und dass die Wirtschaft dringend mehr in Bildung investieren muss.

So oder so – das Problem der "bildungsunwilligen Unternehmen", wie es DGB-Chef Michael Sommer formuliert, werden am Ende Demographie, Markt und Zeit heilen. Manchmal reicht gekonntes Aussitzen. Im Liegestuhl am Strand zum Beispiel.

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