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Weltmacht China: Das Reich der Mittel

Kauft China inzwischen die Welt? Deutschland allein kann den Euro nicht retten, und Amerika, von seinen neuen kompromisslosen Rechten gelähmt, bietet außer kuriosen Ermahnungen keine Hilfe mehr.

Kauft China inzwischen die Welt? Während sich die westliche Führungsmacht USA im beschleunigten Niedergang auch immer mehr selbst zu verlieren droht, kämpft Europa ums Überleben der eigenen Währung und einigenden Werte. Der Geldwerte zumindest. Geld im Überfluss aber hat, neben einigen arabischen Ölstaaten, allein noch China. Die zweitgrößte Wirtschaftsmacht ist längst auch ein politischer Riese. Was aber früher, mit oft apokalyptischen Warnungen verbunden („China, China, China!“), noch eine ferne Einsicht war, erscheint plötzlich zum Greifen nah.

Denn die aktuelle Finanzmisere gleicht einer Zäsur. Mitte der 70er Jahre war die Ölkrise nur ein erster Schock im Nachkriegs-Wirtschaftswunderwesten. Der zweite kam mit der Lehman-Pleite und ihren lawinenartigen Folgen vor exakt drei Jahren. Aber das Bewusstsein, im Westen nicht mehr alleine auf die eigenen Stärken bauen zu können und im globalen Wettbewerb nur den heimischen Wohlstand zu mehren, war noch nicht restlos erschüttert. Danach kam für Deutschland immerhin ein Aufschwung – und nun das umso jähere Erwachen: in einen von Tag zu Tag dramatischeren europäisch-amerikanischen Schuldenalbtraum, der auch den stärksten Haushälter mitzureißen scheint. Deutschland allein kann die Euro-Welt nicht retten, und Amerika, von seinen neuen kompromisslosen Rechten gelähmt, bietet außer kuriosen Ermahnungen keine Hilfe mehr.

Irgendwie erhoffen da manche schon eine Art Marshall-Plan aus dem eben noch fernen China. Gerade hat sich das finanziell bedrängte Italien den Chinesen angedient wie ein Drittweltland. Die Chinesen, die bereits anderen Europäern so gönnerhaft wie vage den Kauf von Euro-Staatsanleihen in Aussicht gestellt haben, zögern. Verständlicherweise. Handel und Wandel sind für Wirtschaft und Politik ja keine Frage des Altruismus. Die Chinesen mit ihren ökonomischen Wahnsinnswachstumsraten und geschätzten 3200 Milliarden Dollar Devisenreserven kaufen weltweit Rohstoffe, Seehäfen, Unternehmen und Beteiligungen, und wenn sich Technologien und Patente nur schwarz oder per Spionage beschaffen lassen, dann fehlen dem Reich der finanziellen und zweckheiligenden Mittel auch diese nicht.

Das wirkt unheimlich. Andererseits ist China auch der Markt der Märkte für die westlichen Industrienationen, vor allem für das exportstarke, exportabhängige Deutschland. Und jeder hierzulande trägt, ob vom Billigmarkt oder von europäischen Nobelmarken geschneidert, asiatische, vornehmlich aus China stammende und unter chinesischer Flagge verschiffte Stoffe am Leib. Die Abhängigkeiten und Investments sind also wechselseitig, auch China braucht den Westen. Noch immer – und für immer. Weil das Globalisierung heißt. Weil unter deren Vorzeichen selbst die neue Supermacht aus dem Osten im zunehmend komplexen und immer empfindlicheren Geflecht von politischen, finanz-wirtschaftlichen oder auch technischen und kulturellen Interdependenzen nie eine monolithische Weltherrschaft erringen könnte.

Eine solche Expansionslust widerspräche ohnehin dem chinesischen Selbstverständnis. Doch das Unbehagen bleibt, solange Chinas Öffnung, trotz strahlender Fassaden in Schanghai oder Peking, dubiose Willkür im Inneren und Kapitalismus durch kapitale Diktatur bedeutet. Auch viele freiheitsbewegte Chinesen hoffen indes auf einen Wandel durch Annäherung. Aber dazu muss der Westen seine Werte vertreten, nicht sie verkaufen.

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