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Meinung: Weltmachtdilettanten

Verstehen Amerikaner andere Kulturen?

Von Walther Rathenau stammt die Feststellung, dass an dem Tage, wo der Kaiser als Sieger mit seinen Paladinen auf weißen Rossen durch das Brandenburger Tor einziehen würde, die Weltgeschichte ihren Sinn verloren hätte. Und von Bismarck stammt die Erkenntnis, dass die Geschichte genauer ist als die preußische Oberrechnungskammer. Auch wenn der amerikanische Präsident George W. Bush weder den einen noch den anderen kennen dürfte, ihre Einsichten muss er jetzt am eigenen Leibe erfahren.

Der Irakkrieg hatte weder einen belastbaren Kriegsgrund noch ein sinnvolles Ziel. Saddams Massenvernichtungswaffen waren eine Chimäre und seine Terrorverbindungen eine Erfindung, die erst jetzt wahr geworden ist. Den Nahen Osten durch Demokratieexport zu stabilisieren, war ungefähr so sinnvoll wie Napoleons Feldzug für die Ideale der französischen Revolution im Spanien der Inquisition des Jahres 1808. Bonaparte musste damals lernen, dass ein von außen gewaltsam erzwungener Fortschritt das Gegenteil des Erhofften bewirkt und dass man mit Bajonetten vieles machen kann, nur nicht auf ihnen sitzen.

Amerikaner und Briten haben einen Krieg gegen die Geschichte, die Kultur und die Traditionen des Landes geführt, am Ende werden sie zerstört haben, was sie in eine freiheitliche Zukunft führen wollten. Dass Amerikaner nicht begreifen können, dass der Rest der Welt nicht wie sie leben will, hat viel mit ihrer Geschichte und ihrem Gottesglauben zu tun, dass manche Europäer – vor allem die erfahrungsgesättigten Briten – demselben Irrtum unterlagen, lässt daran zweifeln, dass man aus der Geschichte lernen kann.

Wenn der oft belächelte Peter Scholl-Latour richtiger lag als die amerikanischen Geheimdienste, muss die Frage erlaubt sein, ob Amerikaner überhaupt in der Lage sind, andere Kulturen und Traditionen zu verstehen. Dennoch sind schadenfrohe Reaktionen und hämisches Beiseitestehen falsch, da das militärische und politische Desaster der beiden westlichen Führungsmächte im Irak nicht spurlos an uns vorübergehen wird. Nicht weil die alten Europäer auf der Venus der Idealität leben und die Amerikaner vom Mars der Realität sind, haben sich Deutsche und Franzosen verweigert, sondern weil der Krieg eine zu ernste Sache ist, um ihn historischen und kulturellen Analphabeten zu überlassen.

Allerdings: Die Alternative heißt nicht nichts tun, die Alternative heißt eigene politische und militärische Verantwortung in europäischen Interessengebieten. Ob die Deutschen dazu intellektuell und physisch bereit sind, ist eine offene Frage. Solange sie unbeantwortet bleibt, ist jede noch so berechtigte Kritik am amerikanischen Weltmachtdilettantismus leider nur Maulheldentum.

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