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Meinung: Weltwirtschaftsforum: Gab es je einen 11. September?

Es ist fast wie eine Familienfeier. Seit mehr als 30 Jahren kommt die internationale Elite aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zum jährlichen Weltwirtschaftsforum zusammen, um über den Zustand der Welt nachzudenken.

Es ist fast wie eine Familienfeier. Seit mehr als 30 Jahren kommt die internationale Elite aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zum jährlichen Weltwirtschaftsforum zusammen, um über den Zustand der Welt nachzudenken. Man speist gut, plaudert angeregt, verliert wohlklingende Worte und verabschiedet sich in der beruhigenden Gewissheit, dass alles so weiterläuft wie immer.

So war es bisher. In diesem Jahr sollte alles ganz anders sein. Der Aufschlag der Flugzeuge im World Trade Center hatte nicht nur New York erschüttert. Der ganzen Welt war die Angst in die Knochen gefahren. Die neue Parole hieß: Umdenken, Umsteuern, Umverteilen. Sie hat nicht lange gehalten.

Denn das Bedürfnis, enger zusammenzurücken im gemeinsamen Kampf gegen das Böse, verschwand mit der Angst vor den Taliban. Und der Wunsch, die tiefen Gräben zwischen reicher und armer Welt, zwischen Globalisierern und Globalisierungsgegnern zuzuschütten, trat schon bei der ersten Geberkonferenz für Afghanistan in den Hintergrund. Nach dem hoffnungsvollen Auftakt beim Welthandelstreffen im November in Doha ist diese Konferenz wieder zu einem erbitterten Feilschen zwischen der entwickelten und der unterentwickelten Welt geworden. Die 144 Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation WTO, die sich in Doha auf eine neue Verhandlungsrunde zur Liberalisierung des Welthandels verständigten, sind heute zerstritten wie eh und je.

Dabei war die Einigung von Doha ein Symbol, wie es schöner nicht hätte sein können: Die reichen Länder versprachen den armen besseren Zugang zu teuren Medikamenten und sagten ihnen zu, ihre Grenzen für deren Produkte zu öffnen. Die Gewinner der Globalisierung reichten den Verlierern die Hand: Durch Handel gemeinsam gegen Armut und Terror. Doch jetzt ist alles fast wie früher.

Dass die Welt nicht so geeint ist, wie US-Präsident George W. Bush es gerne hätte, hat er selbst am deutlichsten zum Ausdruck gebracht: In seiner ersten Rede an die Nation geißelte er jetzt den Iran, Irak und Nordkorea als die "Achse des Bösen". Das ist die Rhetorik der Konfrontation und nicht die des Ausgleichs. Prompt sagte die iranische Delegation ihre Teilnahme am Weltwirtschaftstreffen in New York ab. Palästinenserführer Arafat, früher Dauergast, wäre gerne gekommen, wurde aber gar nicht eingeladen. Umgekehrt luden die Globalisierungsgegner, die sich gleichzeitig im brasilianischen Porto Alegre treffen, den belgischen Ministerpräsident Guy Verhofstadt aus. Er ist ein entschiedener Anhänger des Neoliberalismus.

Die Gegner der Globalisierung sind in die Gutmenschen-Ecke zurückgekehrt. Sie wollen, dass der Wohlstand besser verteilt wird. Wie immer. Dass Kinderarbeit geächtet wird. Wie immer. Dass die Macht der Konzerne gebrochen wird. Wie immer. Und wie immer werden sie damit keinen Erfolg haben. Reden allein hat beim Kampf um eine gerechtere Weltordnung noch nie geholfen. Gegner und Befürworter der Globalisierung wären gut beraten, sich nun da zu engagieren, wo messbare Ergebnisse möglich und nötig sind: in der neuen Welthandelsrunde.

Dort stehen keine freundlichen Treffen, sondern harte Verhandlungen bevor. Hier müssten die Politiker und Manager der industrialisierten Welt beweisen, dass es ihnen ernst ist mit der Öffnung ihrer Märkte und der gerechteren Verteilung des Wohlstands. Und die Globalisierungsgegner müssten zeigen, dass sie den Welthandel als möglichen Weg zu einer besseren Politik akzeptieren. Bisher sind die Signale wenig ermutigend.

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