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Meinung: Wen die Zeit überholt

Die FDP streitet wieder – und wieder übers Personal. Das schwächt Westerwelle

Die Dame ohne Unterleib – so hieß die FDP früher immer, weil sie es nicht vermochte, in Städten und Gemeinden so richtig stark zu werden. Und nun Brandenburg: mehr als sechs Prozent bei der Kommunalwahl! Die Wende? Darüber könnte man reden, wäre da nicht dieser elende Streit in der Partei. Der überlagert jedes auch nur halbwegs gute Ergebnis und eine ruhige, erfolgversprechende Analyse in den eigenen Reihen sofort wieder. Liberal wird von den Liberalen eben zu gerne auch definiert als die Möglichkeit, lieber über alles andere als über die Sache zu sprechen.

Die Sache ist die: Die FDP muss sich permanent selbst revolutionieren, sich die Frage stellen, wofür sie gebraucht wird. Politische und personelle Blässe, thematische Mutlosigkeit und der Rückfall in die Zeit, in der sie sich bloß noch als Mehrheitsbeschaffer definierte, werden sofort vom Wähler bestraft. Sind aber die politischen Forderungen klar konturiert, hält die Partei Abstand zu SPD und Union, erholt sie sich auch so schnell wie niemand sonst, weil das Wort „liberal“ noch immer einen anti-spießigen Klang hat. Es ermöglicht allen diesen Wählern eine Identifikation, die rebellieren wollen – aber lieber nur ein wenig. Wenn es das gäbe, dann könnte man sagen, die FDP wendet sich an anarchische Konservative.

Vor allem Guido Westerwelle hat das Bild der FDP dieser Tage geprägt, schon seit seiner Zeit als Generalsekretär in den 90er Jahren. Ob Klaus Kinkel oder Wolfgang Gerhardt Parteichef waren, die Programmatik stammte nicht von ihnen. Westerwelle war der Dominator im Hintergrund, der der FDP die Angst vor dem elitären Etikett des Neoliberalismus auszureden versuchte; er war es, der den Titel „Partei der Besserverdienenden“ zurückwies – und ihn inhaltlich ausfüllte. Mit Westerwelle führte die FDP Debatten, von denen die anderen Parteien ahnten, dass sie sie auch noch führen müssen. In den 90ern wirkte die FDP darum kalt, aber ehrlich. Das imponierte. Auch den Linken. Denn Westerwelle war zugleich derjenige, der Sozialliberalen und Rechtsstaatsliberalen wieder mehr Raum verschaffte.

So viel historische Wahrheit muss sein: Westerwelle stammt aus Nordrhein-Westfalen, und in diesem Landesverband kam die Idee einer Volkspartei FDP auf – in den 60er Jahren. Die Annahme war, dass der politische Gehalt des organisierten Liberalismus im Grunde mehrheitsfähig ist. Wie fatal für die FDP, dass der Gehalt es ist. Denn jetzt muss sie, muss Westerwelle danach handeln. Und er hat keinen wie Jürgen Wilhelm Möllemann, der ihm quasi als Minenhund vorausgehen kann.

Klientelpolitik, ob für Apotheker oder Versicherungen oder Handwerksmeister, wird der FDP und ihm übel genommen. Der Parteichef hat das, immerhin auch wieder als Erster, öffentlich anerkannt. Er muss dazu sein Papier demnächst noch vorlegen. Damit ihn die Zeit nicht doch noch überholen kann.

Früher hätte ein FDP-Vorsitzender für Flexibilität per se Lob erhalten, Walter Scheel zum Beispiel wurde gerühmt für seinen Vorsatz, „alte Zöpfe abzuschneiden“. Aber Westerwelle nicht – und das liegt auch an ihm. Sein Pech ist, dass man in solch exponierter Stellung eines nicht übersehen kann: Wann immer es ernst wird, handelt Westerwelle alleine und als sein eigener Generalsekretär. Er hat Mut zum Inhalt, scheint allerdings zu denken, dass das für die FDP reicht. Deshalb wirkt seine Generalsekretärin auch so schwach. Dass man Cornelia Pieper die inhaltliche Überforderung anmerkt, scheint ihm aber lieber zu sein, als wenn er selbst die Herausforderung durch stärkere Leute an seiner Seite zu bestehen hätte. Weil nun Piepers – vermeintliche – Dominanz in ihrer Beliebigkeit begründet ist, droht dieses Urteil jetzt auch auf ihn abzufärben.

Parteivize Walter Döring, mit dem er im Streit liegt, sagt, dass Westerwelle immer fürchte, jemand säge an seinem Stuhl. Und auch andere Führungsmitglieder sagen, er steuere Kritiker aus und verhalte sich autoritär. Autorität allerdings kommt nicht von autoritärem Gehabe. Darüber werden sie mit ihm aber wohl noch reden können, je eher, desto besser. Denn in der Sache wird die FDP als liberales Gewissen gebraucht.

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