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Meinung: Weniger ist mehr

Die Zahl der Studienplätze in Berlin sinkt – die Qualität des Studiums soll besser werden

Unter Berlins Abiturienten werden es viele mit Schrecken hören: Die Stadt baut weiter Studienplätze ab. Es wird also immer schwieriger, den Numerus clausus an Berlins Unis zu knacken. Immer mehr Erstsemester werden sich irgendwo in der Republik einen Studienplatz suchen müssen. Gewohnt wird nicht mehr im Hotel Mama oder in einer von Berlins billigen Wohnungen, sondern im Studentenwohnheim in Saarbrücken oder in einem teuren WG-Zimmer in München. Neue finanzielle Belastungen kommen auf diese unfreiwillig in die Ferne gezwungenen Studierenden zu – und auf jene, die stark an ihrer Familie und ihren Freunden hängen, wohl auch neue emotionale Herausforderungen.

Neben solchen menschlichen Effekten haben sinkende Studierendenzahlen natürlich Auswirkungen auf Berlin als Wissenschaftsstandort und auf seine Wirtschaftskraft. Berlin amputiert sich. Das hat die Regierung der dramatisch verschuldeten Stadt aber in Kauf genommen, als sie im Jahr 2003 beschloss, 75 Millionen Euro an den Universitäten einzusparen. Zu Recht regen sich jetzt noch einmal die Politiker der Oppositionsparteien darüber auf – selbst wenn die Bürger sich fragen werden, ob diese Politiker anders gehandelt hätten, wären sie selbst in der Regierungsverantwortung.

In der neuen Aufregung droht jedoch unterzugehen, warum die Berliner Universitäten jetzt noch einmal weniger Studierende zulassen wollen. Dies hat mit den längst bekannten Folgen der Sparpolitik nichts zu tun. Es geht um die Reform des Studiums. Berlin will ein besseres Betreuungsverhältnis schaffen. Das ist seit 30 Jahren überfällig. Bislang dehnte ein Großteil der Studierenden die eigentlich vorgeschriebene Regelstudienzeit von sieben oder neun Semestern um mehr als das Doppelte aus. Enorme Abbrecherquoten verweisen auf persönliche Tragödien. Viele dieser Studierenden dürften durchaus geistig in der Lage gewesen sein, das Studium bis zum Schluss zu bewältigen. Doch ihnen fehlte der Biss, an der Massenuniversität zurechtzukommen: als Autodidakten in einem unübersichtlichen Studium, das keine Fristen kennt. Berlins Unis geben ihre jetzige Misserfolgsquote mit rund 50 Prozent an.

Mit der großen europäischen Studienreform hat Deutschland eine neue Chance. In den neuen Bachelorstudiengängen sollen die Studierenden nach nur sechs bis acht Semestern einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss erwerben können. Wer will, kann danach noch einen zwei- bis viersemestrigen Master aufsatteln. Das gelingt nur bei deutlich besserer Betreuung. Als die Universitäten das in den 70er Jahren versuchten, sprach das Bundesverfassungsgericht von „unzulässiger Niveaupflege“. Die Hörsäle liefen voll. Mit dem Bachelor müssen andere Kapazitätsberechnungen her, ehrlichere. Die Republik muss in den Spiegel blicken. Sie muss endlich sagen, dass die Ausbildung der jungen Generation in Wahrheit weit teurer ist, als jahrzehntelang behauptet wurde. Berlins Unis und der Wissenschaftssenator machen es vor. Wer hier studiert, soll nicht im Hörsaal stehen müssen, ja, jene, die stehen müssten, werden gar nicht erst zugelassen.

Den nächsten Schritt müssen andere tun: der Finanzsenator und jene Politiker, die in Zeiten eines neuen Studentenbergs eine Föderalismusreform planen, die Bundeshilfen für die Unis ausschließt.

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