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Meinung: Wenn es in der Gosse stinkt

Die Gemeinden sind in Deutschland, mit einem modifizierten Hegel-Satz gesagt, die Gosse, in die alle Widersprüche münden. Auf der einen Seite sollen sie, nach den Regeln der Subsidiarität, jene Aufgaben übernehmen, die nicht zwingend von höheren Verwaltungsinstanzen erledigt werden müssen.

Die Gemeinden sind in Deutschland, mit einem modifizierten Hegel-Satz gesagt, die Gosse, in die alle Widersprüche münden. Auf der einen Seite sollen sie, nach den Regeln der Subsidiarität, jene Aufgaben übernehmen, die nicht zwingend von höheren Verwaltungsinstanzen erledigt werden müssen. Auf der anderen Seite stehen sie hilflos am Ende einer Beschlusskette vom Bundestag über den Bundesrat zu den einzelnen Ländern und haben kaum ein Widerspruchsrecht gegen die Gesetze und Verordnungen, deren Opfer sie sind. Die Kommunen, und damit alle Bürgerinnen und Bürger, baden aus, was oben angerichtet worden ist. Und im Zweifel hat es sich tatsächlich ausgebadet, nämlich dann, wenn aus Finanznot, wie jetzt in Berlin, öffentliche Schwimmbäder geschlossen werden müssen.

Die Klagen des Städte- und Gemeindebundes über die desolate Haushaltslage, gestern in Berlin wieder vorgebracht, sind also nicht neu. Aber noch nie waren die Lasten so drückend wie seit der Steuerreform des vergangenen Jahres, die den Kommunen massive Rückgänge bei der Gewerbesteuer brachte. Diese Geldquelle aber sprudelte schon durch die konjunkturelle Krise immer schwächer. Dass die Abgabe selbst wachstumsschädlich ist, also jede Erhöhung zur Vertreibung von Betrieben führt, erschwert den Ausweg aus der Etatmisere noch mehr. Wachsende Arbeitslosigkeit wirkt sich ebenfalls negativ auf der Einnahmeseite aus, während die Ausgaben für Sozialhilfe gleichzeitig steigen.

Da unser aller Lebensqualität sehr stark von der Fähigkeit der Gemeinden abhängt, akzeptabele Umfeldbedingungen zu schaffen, überrascht die Lethargie immer wieder, mit der Bund und Länder das Wehklagen aus den Rathäusern ertragen. Mag ja sein, dass die Reformbereitschaft dort nicht ausgeprägt ist. Aber ohne eine Umgestaltung der Gemeindefinanzen und eine gerechtere Lastenverteilung kommen die Städte aus der Verschuldungsfalle nicht mehr heraus. Zuwanderung, Sprachintegration, ausgeweitetes Asylrecht, Ausländerarbeitslosigkeit - wo man auch hinschaut, schlagen gesellschaftliche Probleme voll auf die Gemeinden durch. Wenn die Gosse, um noch einmal an Hegel anzuknüpfen, erst einmal verstopft ist, stinkt es aber so, dass auch im Bund und bei den Ländern das Nasezuhalten nicht mehr helfen wird.

Gerd Appenzeller

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