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Meinung: Wenn rote Linien rosa werden

Schäuble will die Grauzone im Antiterrorkampf ausweiten – die USA dämmen sie ein

Verhaftungen, Folter, Verhöre: Deutschland und die USA kommen einander wieder näher – aber anders, als von vielen erwartet. In Washington stimmt Präsident Bush doch noch – und wohl entgegen seiner Überzeugung, eher dem politischen Druck weichend – einem generellen Folterverbot zu. In Berlin kündigt Innenminister Schäuble – vom Nutzen und der Unschädlichkeit seines Tuns überzeugt, die politische Verwirrung nutzend – ein Gesetz an, um „gefährliche Leute einsperren“ zu können.

Bush akzeptiert zähneknirschend und um Ausnahmen feilschend, dass die CIA auf grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Gefangenen auch im Ausland verzichtet. Schäuble verteidigt das Recht deutscher Beamter, Gefangene im Ausland auch dann zu verhören, wenn ihnen nicht nur der gesunde Menschenverstand, sondern auch der Betroffene selbst sagt, dass die lieben Kollegen anderer Dienste zuvor „nach Landessitte“ gehandelt haben. Ein Tee, eine Wasserpfeife, bis die Herren vom BND mit dem Kerl durch sind – und dann weiter. Die erzwungenen Aussagen nimmt Schäuble auch gerne mit.

Vielleicht fiele es leichter, härtere Gesetze zur Terrorabwehr und weichere Auslegung derselben zu akzeptieren, wenn sich nicht zunehmend das ungute Gefühl über alles legte, dass sich der Rechtsstaat in die Dunkelkammer begibt. Es wird genommen und gegeben, wie es gerade passt. Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten, in Deutschland historisch begründet mit dem Terror der Gestapo, wird geschleift. Die Trennung von Ämtern und Behörden dagegen wird als Nichtzuständigkeitsschild missbraucht. Wie eine kafkaeske Karikatur mutet es an, wenn der derzeitige Innenminister auf die Frage, was die Regierung für verschleppte Deutsche in obskuren Kerkern tut, trocken erwidert: „Da müssen Sie ins Auswärtige Amt gehen. Für die konsularische Betreuung ist der Bundesinnenminister nicht zuständig.“ Ebenso, wenn dessen Vorgänger erklärt, warum er die Staatsanwaltschaft, die sich um die Aufklärung einer solchen Verschleppung bemüht, im Dunkeln tappen lässt und das später damit begründet, der Innenminister sei nicht deren „Ermittlungsgehilfe“.

Wenn rote Linien rosa werden und der Horizont irgendwo in der Wüste verschwimmt, ist der Rechtsstaat nicht nur durch Terror in Gefahr. Dann wird der gefolterte Gefangene zum „robust behandelten“, Willkür zur Gefahrenabwehr. Und wer wird demnächst alles „gefährlich“ sein?

Am Ende einer Woche, die von der Bundesregierung angekündigt wurde mit dem Versprechen, es folgten die „Tage der Aufklärung“, gibt es mehr Fragen als zuvor. Und weniger Vertrauen darin, dass diejenigen, die im Zeichen des Kampfes gegen den Terror neue Befugnisse fordern, damit auch verantwortungsbewusst umgehen.

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